: Wegen Fluchtgefahr nur Kunst im Bau
■ Resozialisation in Santa Fu: Knacki darf an seiner Vernissage nicht teilnehmen
Wenn heute seine Ausstellung „Hartes Pflaster Hamburg“ im Altonaer Stadtteilzentrum „Haus 3“ eröffnet wird, darf Wolfgang Glißmann nicht dabeisein. Mit der Begründung, es bestehe „Fluchtgefahr“, wurde dem Strafgefangenen, der in Fuhlsbüttel eine lebenslange Haftstrafe verbüßt, die „Ausführung“ durch einen Anstaltsbediensteten verwehrt – obwohl sich Glißmann bereiterklärt hatte, sich notfalls sogar gefesselt unter die Ausstellungsgäste zu begeben.
Begründet wird die angebliche Fluchtgefahr von Santa-Fu-Direktor Jobst Poenighausen damit, daß Glißmann sich gegen eine Verlegung nach Schleswig-Holstein wehre, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist (taz berichtete).
Doch hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Der sofortige Vollzug der Überführung wurde vom Kieler Landgericht vorläufig gestoppt, eben damit Glißmann der Ausstellungseröffnung beiwohnen könne. Dieser Wunsch des Gefangenen, urteilte das Gericht, sei „höherwertig“ als das ministerielle Interesse an der Sofortverlegung.
Zudem durfte Glißmann vor viereinhalb Jahren durchaus bei der Eröffnung seiner ersten Ausstellung in Hamburg in Begleitung einer Anstaltsbediensteten live dabei sein. Doch obwohl der Inhaftierte kurz vor seinem zehnjährigen „Knastjubiläum“ steht, nach dem er mit Haftlockerungen rechnen darf, bleiben die Türen für ihn diesmal verschlossen.
Für einen Anstaltsbediensteten ist der Hausarrest „reine Schikane gegen einen unbequemen Häftling“, der nicht alles mit sich machen lasse. Denn Glißmann wehrte sich dagegen, daß er zusammen mit sechs weiteren früher in Schleswig-Holstein lebenden Santa Fu-Häftlingen am Dienstag nach Lübeck verlegt werden sollte, noch bevor die Widerspruchsfristen der Häftlinge verstrichen waren.
Grundlage für diesen Schritt ist eine Vereinbarung zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen, nach der Gefangene in der Nähe ihrer „sozialen Bezüge“ untergebracht werden sollen. Die allerdings liegen bei Langzeitgefangenen meist dort, wo sie inhaftiert sind. Zwar wurde der Dienstags-Transport nach den Protesten der Gefangenen gestoppt; gestern wurden dann aber doch zwei der sechs Rückverlegungs-Kandidaten nach Lübeck gebracht. Justizbehörden-Sprecherin Sabine Westphalen: „Wir haben vorher das Einverständnis der Häftlinge eingeholt.“
Bei der umstrittenen Rückverlegung, die nun die Gerichte in Kiel und Hamburg beschäftigt, spielt Santa-Fu-Chef Poenighausen eine merkwürdige Rolle. Am Montag teilte er der taz noch mit, er würde es „begrüßen“, daß die Rückführung ausgesetzt sei. Dabei war er es höchstpersönlich, der keine Einwände gegen die Verlegung geltend gemacht und damit die Rückführung erst ermöglicht hatte. Die Leiter aller anderen Hamburger Haftanstalten, aus denen Gefangene nach Schleswig-Holstein umquartiert werden sollten, hatten per Härtefall-Klausel die Rückverlegungen verhindert. Marco Carini
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