Berliner Senat will Bauvorhaben kippen

■ Große Koalition einigt sich auf Finanzleitlinien für neuen Haushalt

Berlin (taz) – Die schwarz-rote Regierungskoalition Berlins will notfalls Bauruinen in Kauf nehmen, um den Haushalt des Stadtstaates zu sanieren. Egal, ob Bauarbeiter bereits werkeln oder Verträge schon unterschrieben sind – die Hauptstadt ist bereit, auch prestigeträchtige Projekte der öffentlichen Hand zu stoppen. Auf der Abschußliste stehen unter anderem halbfertige Sporthallen der mißlungenen Olympiabewerbung, milliardenteure Entwicklungsgebiete und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus.

In den neuen Leitlinien seiner Regierungspolitik hat der CDU- SPD-Senat am späten Dienstag nachmittag nur ein Vorhaben von dem potentiellen Baustopp ausdrücklich ausgenommen: den High-Tech-Park im Stadtteil Adlershof. Zusammen mit den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten der Humboldt- Universität will die Regierung dort ein Zentrum für wirtschaftsnahe Forschung ansiedeln.

Der bislang einmaligen Entscheidung eines Bundeslands, notfalls Großprojekte und Milliardeninvestitionen zu stoppen, war ein wochenlanger Streit in der CDU- SPD-Koalition um die Haushaltspolitik vorausgegangen. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte vergangene Woche noch „antizyklische Politik“ zu seiner obersten Leitlinie erklärt: Erhöhte öffentliche Ausgaben sollten die Konjunktur ankurbeln. Auf Druck der Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) wurde die „antizyklische Politik“ in der fast zehnstündigen Marathonsitzung aus den Leitlinien gestrichen, die Grundlage der jetzt beginnenden Haushaltsberatungen für 1997 sind.

Der Etat für das kommende Jahr ist für den Berliner Rechnungshofpräsidenten Horst Grysczyk der „schwierigste seit dem Zweiten Weltkrieg“. Derzeit sind rund fünf Milliarden Mark an Ausgaben nicht gedeckt – das sind mehr als zehn Prozent des 42-Milliarden-Mark-Budgets.

Der SPD ist es in den Verhandlungen zwar gelungen, die „soziale Integrationskraft der Stadt“ zum Standortfaktor zu erheben. Eberhard Diepgen (CDU) aber machte deutlich, wie er mit sozialen Zuschüssen und Förderprogrammen umzugehen gedenkt: „Was nicht neu beschlossen wird, fällt weg“, kündigte Diepgen an. Noch strittige Punkte – etwa die von der CDU geforderte Erhebung von Studiengebühren oder die von der SPD verlangte Erhöhung der Gewerbesteuer – will der Senat auf einer gesonderten Klausur noch einmal besprechen.

Die beschlossenen Regierungsleitlinien sind weitgehend ein Kompromißwerk. Beinahe unbemerkt hat sich Finanzsenatorin Fugmann-Heesing aber Sondervollmachten gesichert, um in den bevorstehenden Etatgesprächen ihre SenatskollegInnen disziplinieren zu können. Bei „Nichteinhaltung beschlossener Konsolidierungsvorhaben“ kann sie gegen alle, die aus dem Säckel des Stadtstaats Geld kriegen, Sanktionen durchsetzen. Christian Füller