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Piepmätze verhindern Wohnungsbau

■ Baugebiet unter Vogelschutz / Bremen wird die Anmeldung bei der EU nicht mehr los

Groß war die Ankündigung, groß der Plan: „Bremer bauen in Bremen“, hieß der, und ein Teil dieses Programms soll in Brokhuchting entstehen. Bremer Familien, die es sonst ins Umland und damit aus dem Bremer Steuersprengel heraus zieht, sollen sich dort auf der Grünen Wiese ansiedeln. Ein- und Zweifamilienhäuschen sind geplant, insgesamt 750 Wohneinheiten. Doch ob daraus tatsächlich etwas wird, das ist mehr als fraglich. Denn größere Teile des Brokhuchtinger Baugebiets stehen unter Vogelschutz, seit der frühere Umwelt-Staatsrat Uwe Lahl an allen Gremien und seinem Senator Fücks vorbei die Bremer Anmeldungen zur EU-Vogelschutz-Richtlinie nach Brüssel geschickt hatte – über der „Piepmatzaffäre“, die Älteren werden sich erinnern, war die Ampelregierung auseinandergebrochen.

Die geht nun weiter, denn nicht nur das Brokhuchtinger Baugebiet, sondern nahezu alle damals angemeldeten Flächen werden mit ziemlicher Sicherheit Vogelschutzgebiete bleiben. Dafür sorgen Bonn, Brüssel und der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Und genau das befürchtet ein erster Prüfbericht, den das Bauressort über Brokhuchting angefertigt hat.

Im September letzten Jahres hatte der Senat vollmundig erklärt, daß die Anmeldung zurückgenommen werden könne. Einer sollte sich darum kümmern, der gerade als Staatsrat frisch gebacken worden war: Günter Niederbremer, zuständig für Europafragen. Der durfte dann im Frühjahr Briefträger spielen und die nunmehr korrigierte Anmeldung beim Staatssekretär des Bundesumweltministeriums auf den Schreibtisch legen. Dort liegt das Schreiben seitdem wie Blei. Bonn hat geprüft und befunden, daß die Bremer Rücknahmewünsche nicht nach Brüssel weitergeleitet werden können – und damit haben nun all diejenigen recht, die schon während der „Piepmatzaffäre“ gewarnt hatten, daß eine Korrektur nicht so ohne weiteres möglich sei.

Am Dienstag dieser Woche saßen je ein Vertreter von Niederbremers Europa-Abteilung und der Umweltsenatorin beim Bundesumweltministerium. Resultat der Sitzung: Bremen muß noch mal Hausaufgaben machen. So einfach, wie sich das der Senat gedacht hatte, sind einmal angemeldete Vogelschutzgebiete nämlich nicht wieder umzuwidmen. Kurz gesagt: Entweder die bedrohten Vögel sind da, dann müssen sie auch geschützt werden. Oder sie sind nicht da, dann kann die Anmeldung revidiert werden. Letzteres mag bei dem umstrittenen 200-Meter-Streifen binnendeichs der Hemelinger Marsch noch klappen. Der war ohnehin nur als „Pufferzone“ zum wertvolleren Gebiet außendeichs angemeldet worden. Aber in Brokhuchting wohnt der Weißstorch, rumort die Rohrweihe und krakeelt der Kampfläufer. Und die gewinnen nach Europäischem Recht allemal gegen schnöde Einfamilienhäuschen.

Erst am 11. Juni dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ein Urteil zum Vogelschutz gesprochen, das den Bremer Ansiedlern graue Haare machen – und den VogelschützerInnen Freudentränen in die Augen treiben dürfte. Die englische Regierung hatte einen Hafen im Schutzgebiet „Lappel Bank“ bauen wollen. Darf sie nicht, urteilte der EuGH. Und wie eng die RichterInnen die Vogelschutz-Richtlinie sehen, das zeigt schon die Überschrift über dem veröffentlichten Urteils-Tenor: „Nach der Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten dürfen die Mitgliedsstaaten bei der Auswahl eines besonderen Schutzgebiets wirtschaftliche Erfordernisse nicht berücksichtigen“.

„Das ist genau das, was wir erwartet hatten“, kommentierte Joachim Seitz vom Bund Umwelt- und Naturschutz. Und das Wirtschaftsressort ist nun in großer Not. „Wir müssen jetzt überlegen, was wir dem Bundesumweltministerium liefern, damit die in Brüssel Erfolg haben.“ Was das sein müßte, das schwant Hartmut Spiesecke, dem Sprecher des Bausenators: „Unsere einzige Möglichkeit ist, daß die Vögel nicht mehr da sind.“ J.G.

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