: Schlaghandschuh mit Quarz verstärkt
■ Vor dem Landgericht beginnt heute der Prozeß gegen acht Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Die Anklage ist aber offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Eingeschleuster Polizist ließ Truppe auffliegen.
Normalerweise finden Prozesse gegen Schläger in Uniform vor dem Amtsgericht statt. Aber wegen der besonderen Bedeutung für die Öffentlichkeit bestand die Staatsanwaltschaft auf einer Anklage vor dem Landgericht. Dort müssen sich ab heute sieben Polizisten und eine Polizistin eines Zuges einer Direktionshundertschaft aus Kreuzberg wegen Körperverletzung im Amt, Beleidigung und unerlaubten Waffenbesitzes verantworten. Der Zug ist inzwischen aufgelöst, alle Angeklagten sind vom Dienst suspendiert.
Mit unterschiedlicher Beteiligung sollen drei der Angeklagten im Mai und August 1994 mehrere Festgenommene teils im Mannschaftswagen, teils auf offener Straße mit Schlägen und Tritten mißhandelt haben. Die übrigen fünf Angeklagten sollen zugesehen und die Festgenommenen beschimpft haben.
Triebfeder scheint eine Mischung aus Rassismus und Lokalpatriotismus gewesen zu sein. Einmal sollen die Opfer, die der rechten Szene nahestehen und zum Teil offenbar südländisch aussehen, als „Griechische Nazis“ oder „Scheißsachsen“ betitelt worden sein. Das andere Mal wurde ein Rumäne bei einem Einsatz gegen Zigarettenhändler zusammengeschlagen.
Die Umstände, wie das Verfahren vor zwei Jahren in Gang kam, lassen vermuten, daß es sich bei der Anklage nur um die Spitze eines Eisbergs handelt. Normalerweise kommen Ermittlungen gegen Polizisten nur sehr zögerlich nach Anzeigen von Betroffenen in Gang. In diesem Fall war die Polizei jedoch aus eigenem Antrieb tätig geworden, weil in der Behörde Gerüchte über üble Machenschaften des Zuges kursierten. Wie die taz jetzt aus Polizeikreisen erfuhr, wurde daraufhin im Mai 1994 ein Beamter in die Direktionshundertschaft eingeschleust, der insgeheim ermitteln sollte. Beide Vorfälle der Anklage ereigneten sich nach seinem Dienstantritt.
Ende Mai wurde der Mannschaftswagen zu einem nächtlichen Einsatz in Buckow gerufen, wo Angehörige der rechten Szene randaliert hatten. Vier Männer wurden festgenommen und im Mannschaftswagen zusammengetreten und -geschlagen. Einer soll den Männern mit seinen privaten Handschuhen, die innen mit Quarz verstärkt waren, Faustschläge gegen den Kopf versetzt haben. Der ebenfalls angeklagte Einsatzleiter soll erst eingeschritten sein, als ihn die Sorge beschlich, den Männern seien die Mißhandlungen vielleicht später anzusehen.
Dabei sollen sich zwei Beamte besonders hervorgetan haben. Eine Polizistin, die im Wagen saß, wird gesondert verfolgt. Sie soll vom Steuer aus ihre Kollegen angefeuert haben, für sie mit zuzuschlagen. Auch ein weiterer im Wagen anwesender Polizist wird getrennt angeklagt. Nach Informationen der taz ist es ein ehemaliger Vopo und Polizeianwärter auf Probe. Er soll sich nicht getraut haben, gegen seine Kollegen vorzugehen, aber später belastende Angaben gemacht haben.
Nach der Mißhandlung des Rumänen im August waren die Wohnungen und Dienstschränke des Zuges durchsucht, und dabei ein umfangreiches Waffenarsenal entdeckt worden. Neben Baseballschlägern fanden sich Schlagringe, Würgehölzer sowie ein Springmesser und ein umgebauter Gasrevolver. Plutonia Plarre
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