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Märkische Hanf-Seilschaften

Die deutsche Hanf-Industrie zur ersten Ernte fehlt bislang. In Brandenburg setzt man statt dessen auf die „große Erlebnis-Landwirtschaft“■ Von Helmut Höge

Mit der jüngst von CDU und FDP vorgelegten 4. Novelle des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes soll 1997 den LPG-Nachfolgeorganisationen in Ostdeutschland endgültig das Genick gebrochen werden. Dabei sind vor allem diese Großlandwirtschaften mit ihrem Intelligenzpotential und der industriemäßigen Marktorientierung erfolgreich – auch ohne Agrarsubventionen. Industriekapazitäten für die brandenburgische Hanfernte müssen jedoch erst geschaffen werden. Hanffabriken, in denen die Pflanzen weiterverarbeitet werden, fehlen noch.

Matthias Schillo, Geschäftsführer der Berliner „Treuhanf GmbH & Co KG“, die Risikokapital für den Aufbau von Verarbeitungsmöglichkeiten akquiriert, arbeitet an der Hanfvernetzung: Für die in Hof-Silos, aber auch in Biogasanlagen zersetzte Hanffaser sieht er eine Weiterverwendung als Grundstoff in der Zellstoffproduktion: „Das wäre dann was für die ,Naturfaser GmbH‘ im brandenburgischen Prignitz“. Zentrales Anliegen der „Treuhanf“ ist jedoch die Papierherstellung aus Hanfzellulose, um die sogenannten regionalen Kreislaufwirtschaften in Gang zu bringen.

In Brandenburg gibt es bereits eine „Bahmer-Anlage“ (eine mechanische Schwinge) bei der „Agrargenossenschaft Sadenbeck“. Im Endeffekt sollen damit Textilien produziert – und so soll diese Kreislaufwirtschaft geschlossen werden.

Die „Treuhanf GmbH & Co KG“ engagiert sich nicht nur bei der hanfanbauenden Agrargenossenschaft in Uetz (bei Potsdam), sondern auch im brandenburgischen Wulkow (bei Neuruppin), wo der Westberliner Anwalt Baron von Ropp vom dortigen Landwirtschaftsbetrieb eine Kartoffelhalle pachtete – für ein Leichtlehmplattenwerk, in dem eine Art Rigips-Ersatz sowie Fachwerk- Einsätze hergestellt werden. Dort wird die „Treuhanf“ zusammen mit dem Bremer „Energiekontor“ demnächst ihr erstes Hanf-Blockheizkraftwerk installieren. Der Strom wird ins Netz abgegeben und die Wärme zur Plattenproduktion genutzt. Weil das Kraftwerk mit einer Biogasanlage verkoppelt sein wird, ist auch Ingenieur Winkler, Konstrukteur einer solchen Anlage in der anhaltinischen Lehr- und Versuchsanstalt Iden, mit dabei sowie der Wulkower Landwirtschaftsbetrieb, der 3.000 Rinder mästet und die Gülle liefert. Zusätzliches Geld kommt von der Deutschen Bank.

Bei der Ernte 96, die über die Bahmer Anlage in Sadenbeck verarbeitet wird, gibt es noch das Problem, daß man aus den rund 200 Tonnen Hanfstroh 50 bis 60 Tonnen Faser produzieren wird: So viel kann derzeit aber noch nicht zu Textilien weiterverarbeitet werden. Die „Treuhanf“ will deswegen eine Wirrfaser-Vliesanlage – bei der „Aqua GmbH“ in Zehdenick – aufstellen. Diese Strukturentwicklungs-Gesellschaft (ABS) hat bereits mehrere Firmen aus ABM-Projekten ausgegründet, unter anderem die Kinderbekleidungs-GmbH „JoJoKid“, die bereits 1995 eine Hanfkollektion produzierte. Auf der Vliesanlage will man Bau-Dämm-Matten produzieren (die sich an Stelle von Isover verwenden lassen), dazu Isolierverschalungen für Rohre sowie Formpreßteile (wie etwa Hutablagen in Pkws). Auch für Faser-Verbundwerkstoffe ist die Anlage geeignet. Daran arbeiten gerade auch einige Polymerchemiker im Teltower Fraunhofer-Institut.

Als „Markt der Zukunft“ bezeichnet Rechtsanwalt Schillo den Freizeit- und Erholungsbereich: In einer ersten Etappe beteiligt er sich am brandenburgischen Museumsdorf Glashütte bei Baruth, wo derzeit 17 Leute wohnen. Der Ort wurde rekonstruiert und nun will man sämtliche Gewerke, die dort bis 1830 ansässig waren, wieder ansiedeln. Die „Treuhanf“ wird zusammen mit der benachbarten Agrargenossenschaft DARETZ (in Dornwalde) die Landwirtschaft in Glashütte betreiben. Ein Hektar Hanf wird dort bereits angebaut: „Den wollen wir manuell ernten und weiterverarbeiten.“

Derzeit arbeitet der Anthropologe Christian Hirte, vom Fachbereich Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität, an einer Liste aller brandenburgischen Industriemuseen, die über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hinaus die nächsten Jahre von der Landesregierung gefördert werden sollen.

Die „Treuhanf“ hat im Jahr 1996 Abnahmegarantien für 60 Hektar Hanf gegeben – vorwiegend in Westdeutschland. Kleinere Chargen werden jedoch für Versuchszwecke in Brandenburg genutzt, zum Beispiel für Bauplatten (als Spanplatten-Ersatz). Daran arbeitet die I.N.A.B. – das Ausbildungszentrum einer Strukturentwicklungs-Gesellschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Pasewalk. In einer zweiten Etappe will die „Treuhanf“ eine „große Erlebnis-Landwirtschaft“ auf dem brandenburgischen Gut Markee (bei Nauen) aufbauen. Es wird von Behinderten bewirtschaftet, die das Diakonische Werk betreut, das auch den Hof zusammen mit der „Treuhanf“ erwerben will. Gleichzeitig bewirbt sich die Agrargenossenschaft in Uetz um die Bewirtschaftung der dortigen 400-Hektar-Landwirtschaft. Die Treuhanf wird sich um die Weiterverarbeitung kümmern, wozu auch eine schon existierende Brennerei gehört, geeignet zur Herstellung von „Hanfgeist“ und „Hanfkorn“.

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