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Mit Papandreou war's spannender

Am Sonntag wird in Griechenland gewählt. Der Wahlkampf ist langweilig, aber die Umfragen sagen knappe Ergebnisse voraus – und das nutzt dem Ministerpräsidenten Kostas Simitis  ■ Von Niels Kadritzke

Berlin (taz) – Der Wahlsieger wird erst am Sonntag ermittelt, die Gewinner standen schon letzten Freitag fest. Die Pizza-Ketten von Athen machten Rekordumsätze. Sie durften das Wählervolk beliefern, das sich vor den heimischen Fernsehern versammelt hatte. Dort begann das große Gähnen.

Die Griechen wollen ihren alten Wahlkampf zurück. Vergessen die verbreitete Kritik an den alten Parteikundgebungen mit zu lauter Theodorakis-Musik und ökologisch verwerflichen Plastikfähnchen. Das große Fernsehduell zwischen Ministerpräsident Kostas Simitis von der sozialistischen Pasok und dem konservativen Oppositionsführer Miltiades Evert war eine Premiere, die nichts Neues brachte. Die Erben des Sozialisten Andreas Papandreou und des Konservativen Kostas Mitsotakis bestätigten alle Vorurteile. Simitis war der dröge, aber kompetente Technokrat, der über die Strapazen des Marsches in die europäische Währungsunion dozierte. Herausforderer Evert verkündete forsche nationalistische Sprüche, die befürchten lassen, daß er sie selbst glaubt. Das Duell endete unentschieden. Auswirkungen auf das Wählerverhalten waren für die Demoskopen nur im Promillebereich auszumachen.

Die Umfragen stimmen kurz vor den Wahlen in zwei Punkten überein: Der Vorsprung der Regierungspartei Pasok vor der konservativen „Nea Dimokratia“ (ND) liegt bei höchstens zwei Prozent. Und gut ein Fünftel der Wähler haben sich noch nicht entschieden.

Das klingt nicht gut für Simitis. Der Regierungschef, der erst vor drei Monaten gegen heftige innerparteiliche Opposition zum Parteivorsitzenden gewählt wurde, braucht nicht nur den erneuten Auftrag zur Regierungsbildung. Er braucht den Wahlsieg auch, um die populistische „Bewegung“ des Pasok-Gründers Andreas Papandreou in eine sozialdemokratische Partei zu transformieren.

Mit diesem Konzept kann Simitis einen Teil der liberalen Mitte von der Nea Dimokratia zur Pasok herüberziehen. Sein Problem ist nur, daß die Wahlen am linken Rand des politischen Spektrums entschieden werden. Hier werben drei kleine Parteien um traditionelle Pasok-Wähler, die Simitis als zu „sozialdemokratisch“ ablehnen. Alle drei haben gute Aussichten, die Dreiprozenthürde zu überspringen: die kommunistische KKE, die einen stabilen, wenn auch alternden Wählerstamm pflegt; der „Synaspismos“ (SYN), eine Koalition „demokratischer Sozialisten“, die 1993 knapp an der Dreiprozenthürde hängenblieb; die DIKKI (Demokratische soziale Bewegung), die sich von der Pasok abgespalten hat und deren enttäuschte populistische Anhänger anspricht.

Der Großteil der noch unentschiedenen Wähler schwankt zwischen einer dieser drei Parteien und der Pasok. Deshalb warnt Simitis in der letzten Wahlkampfphase, ein Erfolg dieser Parteien könnte Evert zugute kommen. Wahltaktisch gesehen kommen die knappen Umfragezahlen Simitis also gar nicht ungelegen. Würde die Pasok deutlich führen, könnten linke Wähler DIKKI wählen, ohne die unbeabsichtigte Nebenwirkung einer ND-Regierung zu riskieren. So aber ist die Warnung ernst zu nehmen, die Simitis seit einer Woche verkündet: „Jede Stimme aus dem fortschrittlichen Lager, die nicht an die Pasok geht, geht an die Nea Dimokratia.“

Um diese Botschaft unter das Volk zu bringen, hat sich Simitis in der letzten Woche doch noch auf die Straßen begeben. Sein bester Wahlhelfer ist aber sein Gegenspieler. Oppositionsführer Evert schreckt mit fremdenfeindlichen Sprüchen und nationalistischen Tönen genau die Wählergruppe ab, die er Simitis abjagen müßte. Dennoch kann es ein knappes Rennen werden. Aber auch ein knapper Wahlsieg würde Kostas Simitis automatisch zum nächsten Ministerpräsidenten machen, denn das griechische Wahlrecht sichert der führenden Partei in jedem Falle eine absolute Mehrheit.

Für Simitis wäre ein Wahlergebnis, das deutlich unter 40 Prozent der Stimmen liegt, dennoch eine halbe Niederlage. Vorgänger Andreas Papandreou hatte mit seinem Charisma 1993 noch 47 Prozent des Wählervolkes gewonnen. Auch in Griechenland ist ein Wahlkampf mit Argumenten allein nur schwer zu gewinnen.

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