: Klage gegen Magnetschweber
3000 TeilnehmerInnen hören auf der ersten Transrapid-Großdemo, wie ein geläuterter Fürst und ein Minister Neuigkeiten verkünden ■ Von Marco Carini
Geplant war der Auftritt des Urenkels des „Eisernen Kanzlers“ nicht. Doch nachdem der Allermöher Pastor Hans-Jürgen Preuß den Fürsten Ferdinand von Bismarck als Verfechter des St. Florian-Prinzips geoutet hatte, ließ es sich der 65jährige nicht nehmen, Lernprozesse kundzutun. Er sei inzwischen nicht nur gegen eine Transrapid-Trasse durch seinen schönen Sachsenwald, sondern gegen den Bau der Strecke überhaupt. Rund 3.000 DemonstrantInnen aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Hamburg, die sich am Sonntag auf dem Glinder Marktplatz zum Protest gegen die Magnetschnellbahn versammelt hatten, quittierten die Worte des geläuterten Fürsten mit gefälligem Applaus.
Eine weitere Neuigkeit hatte Rainder Steenblock, grüner Umweltminister der schleswig-holsteinischen Landesregierung, kundzutun: Er sei sich sicher, daß die Kieler Koalition am 2. Oktober beschließen werde, gegen das Transrapid-Bedarfsgesetz eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einzureichen. Passiere das wider Erwarten nicht, prophezeite Steen-block, habe das rotgrüne Kabinett in Schleswig-Holstein „seine erste schwere Koalitionskrise“.
Doch nicht nur Fürsten und Minister hatten sich zur ersten Großdemo gegen das „Ungetüm auf Stelzen“ versammelt. Aus Barsbüttel und Billwerder, Bergedorf und gar aus Brandenburg, Allermöhe, Curslak und Reinbek waren wackere Transrapid-GegnerInnen nach Glinde gereist, wo sich fast auf den Tag genau vor vier Jahren die erste Bürgerinitiative gegen den Magnetschweber gegründet hatte. Kampfeslustig gestimmte Eigenheim-BesitzerInnen, auf Traktoren angereiste Landwirte, Nachwuchs-ProtestlerInnen aus den umliegenden Schulen und die Bürgermeister von fast 30 Kommunen, die sich gegen die Stelzenbahn zusammengeschlossen haben, hatten sich unter dem Motto „Transrapid – eine Region wehrt sich“ versammelt.
Neben dem Bonner Verkehrsminister Mathias Wissmann – dem der Bürgerinitiativ-Zusammenschluß als Ersatzspielzeug gerne eine Modelleisenbahn schenken würde – standen vor allem die Rathaus-ParlamentarierInnen aus Hamburg im Zentrum der Kritik. Deren Umgang mit dem Hightech-Poltergeist, „spotte“, so Glindes Bürgermeister Hans-Peter Busch, „jeder Beschreibung“. Wenn „Wirtschaftsinteressen über Grundrechte“ bestimmten, gehe der Senat der Hansestadt einfach „auf Tauchstation“.
Da mußte schon der schleswig-holsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete Eckart Kuhlwein für die Sozis Flagge zeigen: Um die „nach Wackersdorf und Kalkar größte Fehlinvestition in der Geschichte der Bundesrepublik“ zu verhindern, ist der Parlamentarier scheinbar sogar bereit, die Entdeckung der Langsamkeit am eigenen Leibe zu erfahren. Denn „nur damit Aktenkofferträger eine halbe Stunde schneller in Berlin“ sein könnten, dürfe, so Kuhlwein, der „Transrapid nicht gebaut“ werden.
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