Räumung der front-art-Galerie war rechtswidrig

■ Prenzlauer Berg: Amtsgericht verpflichtet Hauseigentümer der Kollwitzstraße 64, den Besetzern die Schlüssel zurückzugeben – bis gestern passierte nichts

Die private Räumung der Galerie „front-art“ durch den Eigentümer des Hauses in der Kollwitzstraße 64 im Bezirk Prenzlauer Berg war rechtswidrig.

Per einstweiliger Verfügung wurde die AtGeWo (Attraktives und Gesundes Wohnen GmbH) bereits am vergangenen Dienstag gerichtlich aufgefordert, den Betreibern der Galerie die Räumlichkeiten sowie die Schlüssel bis zu einer „Entscheidung in der Hauptsache“ zurückzugeben. Für den Fall der Zuwiderhandlung hat das Amtsgericht Mitte den Besitzern Ordnungsgeld oder Ordnungshaft angedroht. Dennoch war es bis gestern nicht zu einer Übergabe gekommen.

Die Galerie im Keller des linken Seitenflügels und ein angegliedertes Atelier waren am 10. September „von einer angeheuerten Privatbrigade des Eigentümers kalt geräumt“ worden, die von den Besetzern alarmierte Polizei hätte ein „Eingreifen abgelehnt“, so eine Sprecherin von S.O.S. Kultur e. V., zu dem „front-art“ seit vier Jahren gehört. Dabei seien eine Ausstellung und persönliche Dinge des Künstlers „auf der Straße gelandet“. Angeblich plane die AtGeWo in den Räumen ein Fitneßcenter.

Das Haus in der Kollwitzstraße 64 wurde im Februar 1990 besetzt. Bauliche Veränderungen wurden von der Bauaufsicht genehmigt und für den rechten Seitenflügel wurde ein „Sicherungsprotokoll“ erstellt, was einer Duldung der Besetzung von der zuständigen Wohnungsbaugenossenschaft (WIP) gleichkam. Bewohner des linken Seitenflügels konnten sogar Einzelmietverträge mit der WIP abschließen, auch das „Café Westphal“ im Vorderhaus bekam einen Vertrag von der WIP.

Der aktuelle Vorfall in der Kollwitzstraße 64 reihe sich ein in die Versuche des neuen Eigentümers, die „Bewohner zu schikanieren“, so ein Bewohner des rechten Seitenflügels. Nachdem das Haus an die AtGeWo GmbH verkauft worden war, machte deren Eigentümer Friedhart Steinich, keinen Hehl daraus, was er von den Bewohnern halte. Den „Besetzern“ des rechten Seitenflügels ließ er ohne Ankündigung am 27. Februar dieses Jahres das Wasser abstellen, über die zuständige Hausverwaltung Nachmann ließ er mitteilen, daß „Mieter eigener Wahl“ erwünscht seien. Die Hausverwaltung gab in dem Schreiben vom 6. Juni dieses Jahres bekannt, daß „geeignete Maßnahmen überprüft werden, die Besetzung zu beenden“. Einigen Bewohnern soll Steinich mündlich gedroht haben, sie würden im Oktober nicht mehr dort wohnen.

Auch die Zukunft des „Café Westphal“, eine der ersten selbstverwalteten Kneipen in Prenzlauer Berg, sei „ungewiß“, so Ernst-Frieder Kratockwil von der Betroffenenvertretung Kollwitzplatz. Der Mietvertrag laufe im März 1997 aus. Er vermutet, daß die AtGeWo hier eine „angeblich schönere Kneipe“ eröffnen wolle. Frank Fölsch