piwik no script img

„Eine Befriedung“

■ „Pogo“ wollte nicht verhandeln

Pogo (34) gehörte zu den Besetzern der Winterfeldtstraße 20–24, die ebenfalls am 22. 9. 81 geräumt wurde. Nach den Räumungen zog er ins KOB, einem heute legalisierten und in Selbsthilfe sanierten Haus an der Potsdamer Straße.

taz: Wie hast du von Rattays Tod erfahren?

Pogo: Ich mußte arbeiten, war also bei den Räumungen selbst gar nicht dabei. Erst im Radio hab' ich davon gehört, auch daß es einen Toten gab. Rattays Tod war ein ziemlicher Schock für mich. Ich kannte ihn vom Sehen, da er in einem Zeltlager hinter unseren Häusern wohnte.

Wie hast du reagiert?

Sagen wir mal, Randale habe ich nicht gemacht. Aber die Polizei hat immer weiter rücksichtslos zugeschlagen, nicht mal die Trauer zugelassen. Irgendwann ist das allgemein in Haß umgeschlagen.

Wie wurde danach unter den Besetzern diskutiert?

Erst mal war uns klar, jetzt gibt es erst recht keine Verhandlungen. Es gab auch anfangs nichts zu verhandeln, da von Senat und Eigentümer keine Angebote kamen. Statt dessen wurden weitere Räumungen angedroht. Dann blieb auch die breite Solidarität von außen weg, es waren nie wieder so viele Leute auf der Straße wie im September 81. Wohl weil alle gesehen haben, daß trotz größten Widerstands Räumungen nicht verhindert werden konnten, und auch weil viele die Krawalle nicht verstanden haben. Friß oder stirb, verhandeln oder geräumt werden, hieß dann die Alternative. Auch unter den Besetzern war der Zusammenhalt nicht mehr wie vorher. Nach heftigen, monatelangen Diskussionen haben wir uns dann auf einen Vertrag eingelassen. Viele, denen das nicht gepaßt hat, sind damals ausgezogen. Nur noch drei Leute wohnen hier, die schon im September 81 dabei waren.

Hast du manchmal das Gefühl, dich verkauft zu haben?

Die Sanierung mit Senatsmitteln war schon eine Befriedung. Aber wenn ich mich so umgucke, der politische Druck in den letzten Jahren ist noch viel schlimmer geworden. Da ist das Haus hier, in dem wir immer noch als Großgemeinschaft zusammenleben, ein wichtiger Freiraum.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen