piwik no script img

Sächsisches Know-how für den Bruder in Vietnam

■ SMI aus Pirna soll für 12 Millionen Mark die Loks der vietnamesischen Eisenbahn flottmachen. Das angeschlagene Unternehmen hofft auf Folgeaufträge aus Asien

Pirna (taz) – Alte Kontakte haben die Strömungsmaschinen-Industrietechnik GmbH (SMI) im sächsischen Pirna gerettet. Das Unternehmen soll in knapp 25 Monaten 15 alte Lokomotiven der rumänischen FAUR-Werke für die vietnamesische Eisenbahngesellschaft renovieren. Der Auftrag ist Teil des vietnamesischen Milliardenprojekts zum Ausbau der Infrastruktur des wirtschaftlich expandierenden Landes. Zustandegekommen war der Vertrag, weil sich der von der vietnamesischen Regierung für das Projekt beauftragte Ingenieur Le Quang Loc an das Werk des ehemaligen sozialistischen Bruders in Pirna erinnert hatte. Zu DDR-Zeiten hatte Le Quang Loc in Dresden studiert.

Die SMI gehört nach der Wende zu den letzten noch verbliebenen größeren Industrieunternehmen im Raum Pirna. 12 Millionen Mark verdient die angeschlagene SMI an dem Regierungsauftrag aus Asien. Außerdem hofft die Unternehmensleitung, daß sich mit dem Auftrag für den Betrieb ein neuer Absatzmarkt in Asien erschließt.

Denn erstmals wurden nicht nur die nötigen Ersatzteile wie hydrodynamische Getriebe für die Diesellokomotiven geliefert. Diesmal ist die ehemals volkseigene SMI der Generalunternehmer des Projekts, das über den Entwicklungshilfefonds der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt vorfinanziert wird.

Drei europäische Firmen stellen derzeit im zentralvietnamesischen Da Nang ein fünfköpfiges Expertenteam, das zusammen mit rund 30 Arbeitern der vietnamesischen Eisenbahngesellschaft für das Projekt vor Ort verantwortlich ist. Größter Partner der SMI ist die Motoren- und Turbinenunion (MTU) in Friedrichshafen. Auch die rumänischen FAUR-Werke sind an dem Joint-venture beteiligt. Das Pirnaer Werk übernahm die gesamte Logistik, schloß Verträge mit Zulieferfirmen ab, war an den Verhandlungen mit der Kreditanstalt beteiligt und verschiffte auch die komplette Werkstattausrüstung für das Lokomotivdepot in Da Nang.

Bei 35 bis 40 Grad Hitze und rund 90 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen in Vietnam extreme Arbeitsbedingungen. Schwierigkeiten hielten sich dennoch bislang in Grenzen, sagt Klaus-Dieter Henke, kaufmännischer Leiter der SMI. Bereits die dritte Lokomotive konnte inzwischen zehn Wochen vor dem vertraglich festgesetzten Termin an die Eisenbahngesellschaft übergeben werden, die vierte Lok ist fast fertig. Für die vietnamesische Regierung rechnet sich der Auftrag: Die Renovierung einer Lok ist 50 Prozent billiger als ein Neukauf. Henke will daher Folgeaufträge nach Pirna holen.

Der Auftritt als Generalunternehmer ist für die SMI eine große Chance. Das Maschinenbauunternehmen wurde 1918 in Dresden gegründet und war im Herbst 1994 „eigentlich schon mausetot“, so Geschäftsführer Erwin Hein. Vor der Wende sicherten staatliche Aufträge für Kraftwerks- und Flugzeugturbinen, Großgetriebe und Kupplungen die Arbeitsplätze von über 3.000 Arbeitern. Der Betrieb war zu DDR-Zeiten einer der größten Arbeitgeber in der Kreisstadt Pirna. Anfang 1995 mußte der neue Geschäftsführer Erwin Hein jedoch Konkurs anmelden und die Belegschaft auf 172 Angestellte reduzieren.

Dennoch kämpft das Unternehmen weiter ums Überleben. Der Konkurs des Bremer Vulkan Verbunds zog auch SMI mit nach unten: Zahlreiche bereits abgeschlossene Rahmenverträge mit Vulkan- Töchtern platzten. Das für 1996 angestrebte Ziel von 30 Millionen Mark Umsatz könne daher, sagt Hein, nicht erreicht werden. In diesem Jahr rechnet er mit lediglich 20 bis 21 Millionen Mark Umsatz. Global Player will SMI deswegen werden und die Geschäftsleitung sucht den Markt dort, wo er ist. Das neue Vertriebsnetz überzieht mittlerweile fast ganz Europa, nun werden die Fühler auch verstärkt nach dem asiatischen Raum ausgestreckt. Michael Mörgelin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen