: Immer mehr von der Industrie vereinnahmt
■ betr.: „Greenepeace will Sozial staat retten“, taz vom 16. 9. 96
Es irritiert mich doch sehr, daß Herr Bode das Gerede, wonach Wirtschaftswachstum und soziale Mindeststandards untrennbar miteinander verbunden seien (siehe Regierung: Programm für Wachstum und Beschäftigung), von verantwortungslosen Managern und bestimmten Politikern einfach übernimmt. Es würde mich sehr freuen, wenn Greenpeace endlich die sozialen Menschenrechte (vor allem das Recht auf Nahrung, Wohnen, Gesundheit und Arbeit), festgelegt im UN-Pakt von 1966, zu denen sich mittlerweile 135 Staaten verpflichtet haben, bei seiner Arbeit mitberücksichtigen und mit Organisationen, die sich für diese Menschenrechte einsetzen, zusammenarbeiten würde. Entscheidend für die Verwirklichung der sozialen Menschenrechte weltweit ist aber nicht das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern.
Gerade in Ländern, in denen eine Agrargesellschaft existiert, ist der Zugang und die Kontrolle über eigene Ressourcen, speziell über Land, unbedingte Voraussetzung für die Verwirklichung des Rechtes, sich zu ernähren. Die Respektierung und der Schutz der sozialen Menschenrechte durch den Staat erfordert erst mal kein Wirtschaftswachstum, schon gar nicht in den Industrieländern. Und die Durchführung der Agrarreform in vielen Ländern, zum Beispiel Philippinen, Brasilien, El Salvador, Honduras etc. scheitert am politischen Willen der Regierungen und deren Feigheit vor den wirtschaftlich Mächtigen. Aber die sozialen Menschenrechte werden genauso durch die Weltbank, IWF, Welthandel und auch durch die Bundesrepublik Deutschland verletzt.
Ökologische und soziale Mindeststandards müßten bei allen Produkten, nicht nur bei cash crops, zur Pflicht werden.
Und auch in den Industriestaaten brauchen wir mehr soziale Gerechtigkeit, um soziale Mindeststandards zu erhalten und sämtliche sozialen Menschenrechte zu verwirklichen. Das Geld ist da, dafür brauchen wir kein Wirtschaftswachstum. Wirtschaftswachstum dient doch nur noch zur Gewinnmaximierung einiger weniger und verführt Politiker zur Durchführung von Wahnsinnsprojekten.
Ich sehe mit Besorgnis, wie sich Greenpeace immer mehr von der Industrie vereinnahmen läßt. Stephan Berg, Lörrach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen