: „Ich stehe vor dem Nichts“
■ Bremer BosnierInnen haben Angst vor der „Rückführung“ in ihre Heimat
Verunsicherung, Angst, Depression – so beschreibt Andrea Frohmader, Organisatorin der „Brücke der Hoffnung“ die Situation bosnischer Flüchtlinge in Bremen. Nachdem Innensenator Borttscheller angedroht hatte, notfalls auch Zwangsrückführungen anzuordnen, fühlten sich viele BosnierInnen wie gelähmt. Die Bürgerschaft hat beschlossen, daß die Rückführung ab dem 1. Oktober –96 erfolgen kann. Bedingung: die Rücckehr soll möglichst freiwillig erfolgen. Außerdem soll der Senat die Rückkehr so vorbereiten, daß für die Betroffenen keine Gefahr für Leib und Leben besteht.
Zwar gibt es für freiwillige RückehrerInnen ein Bundeshilfsprogramm, doch in Bremen hat man über ein Rückkehrerprogramm noch nicht entschieden.
„Ich weiß nicht, wohin sie mich schicken. In meine Heimatstadt kann ich nicht zurück, dort sind jetzt die Serben“, sagt Eliza (Name geändert). Müde und abgekämpft erzählt die 30jährige, daß ihr Bruder in Bosnien getötet wurde und ihre Mutter nach der Flucht in Bremen starb. „Wenn ich jünger wäre, dann wäre es mit dem Zurückgehen leichter. Ich habe keine Hoffnung, irgendwann wieder in meiner Heimatstadt zu leben.“
Ihre Freundin Netta leidet besonders darunter, nicht arbeiten zu können. In Bosnien hatte die Apothekerin zuletzt eine Stelle als Krankenschwester, doch in Bremen gibt es dafür keine Perspektive. Netta: „Vor dem Krieg hatte ich ein Leben mit Arbeit und Freunden. Jetzt stehe ich vor dem Nichts.“
Besonders die jungen BosnierInnen fühlten sich orientierungslos, erzählt Netta leise. Psychische und gesundheitliche Probleme sind häufig die Folge. „Vor dem Krieg war ich gesund, heute muß ich dauernd zum Arzt“, sagt Eliza. Traumatische Erfahrungen haben sie krank gemacht.
Vor einer sofortigen Ausreise ist Eliza vorerst geschützt. Die Rückführung erfolgt nach einem Stufenplan, nach dem zuerst Alleinstehende und Ehepaare ohne Kinder ausreisen sollen. Es folgen Traumatisierte, SchülerInnen und Auszubildende. Als „völligen Quatsch“ bezeichnet Andre Frohmader dieses System. „Das Kriterium muß doch sein, wie sicher das Gebiet ist, aus dem jemand kommt und ob man dort überleben kann.“ Die meisten der in Bremen lebenden BosnierInnen kommen aus der Republika Srpska, ein von Serben „ethnisch gesäubertes“ Gebiet. Diese Region gehört nicht zu den 22 Gebieten, die der Flüchtlingshochkommissar als sicher bezeichnet hat. Das erklärte der Sprecher des Innensenators Stefan Luft auf Nachfrage. Luft: „Flüchtlinge aus diesen Gebieten können deshalb nicht sofort ausgewiesen werden. Wir gehen aber davon aus, daß die meisten freiwillig gehen.“
Doch solange der Winter vor der Tür steht, die Arbeitslosigkeit in Bosnien bei 89 Prozent liegt und Wohnungen fehlen, ist das so eine Sache mit der Freiwilligkeit.
Leider gebe es immer noch zu wenig Aufbauhilfen vor Ort, meint Andrea Frohmader. Sie hat, so sagt sie, einen vielleicht naiven Traum: „Alle in Bremen untergekommenen Bosnier bekommen ein Dorf in der Nähe von Tuzla. So reißt man die Kontakte und Freundschaften, die in Bremen entstanden sind, nicht auseinander und erleichtert die Rücckehr in eine fremde Region.“ hof
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