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Widerstand kostet das Weihnachtsgeld

■ Bosch-Siemens-Bosse streichen das Weihnachtsgeld – der Betriebsrat hatte sich gegen die gekürzte Lohnfortzahlung gewehrt. IG Metall fordert: Schluß mit Überstunden und Samstagsarbeit

In der Metallindustrie hat der Lohnfortzahlungsstreit eine neue Qualität: Laut Betriebsrat kündigten die Manager von Bosch-Siemens in Gartenfelde drei Betriebsvereinbarungen über Erfolgsbeteiligung, Nachtschichtzulagen und das Weihnachtsgeld, nachdem der Betriebsrat sich gegen das gekürzte Krankengeld zu Wehr setzte. Die Betriebsräte des Bosch- Siemens-Haushaltsgerätewerks nannten die Kündigung der teilweise 20 Jahre alten Verträge eine „Kriegserklärung“. Die Geschäftsleitung verweigerte gestern jede Auskunft.

Auch in den Hallen von Mercedes in Marienfelde brennt die Luft. Nachdem die Stuttgarter Konzernleitung die 100prozentige Lohnfortzahlung zum 1. Oktober storniert hatte, kam es zu einer spontanen „Informationsveranstaltung“ mit 1.200 MitarbeiterInnen. Solche Versammlungen bringen stundenlangen Arbeitsausfall mit sich und gelten als erstes Kampfmittel. Die Autobauer wollen am Montag beraten, wie sich die Belegschaft gegen die Kürzung wehren kann. Ähnlich wie für die rund 95.000 Beschäftigten der Metall- und Elektrobranche der Region ist auch in der Chemie (16.000 Arbeitsplätze) und am Bau (43.000) die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zurückgestuft.

„Man kann doch nicht erwarten, daß wir die Hand reichen, wenn die uns vors Schienbein treten“, sagte IG-Metall-Sprecher Michael Böhm. Es gehe inzwischen selbst Facharbeitern mittlerer Lohngruppen – Brutto rund 5.000 Mark – an die Substanz. „Alleinverdienende haben große Schwierigkeiten, eine Familie über die Runden zu bringen.“ Als Kampfmittel sieht die Gewerkschaft Betriebsversammlungen und die Verweigerung von Mehrarbeit. Die Arbeitgeber sollten merken, sagte Böhm, wie teuer der „Faktor sozialer Frieden“ werde – wenn er entfalle. Das deutsche Modell bezirksweise ausgehandelter Tarifverträge gilt als das kostenfreundlichste der Welt.

Bei Bosch-Siemens in Gartenfeld ist Schluß damit. Der Betriebsrat will ab sofort die bislang spontan vereinbarte Samstagsarbeit verweigern. Damit werde man auch die Zulieferung zu einem neuen Bosch-Siemens-Werk in Nauen lahmlegen, sagten die Arbeitnehmervertreter der taz. Die Stimmung in dem 2.400-Beschäftigten-Werk gilt als geladen. Die gekündigten Betriebsvereinbarungen bedeuteten pro Nase Einkommensverluste von über 3.000 Mark jährlich. „Die Wut in den Betrieben ist größer, als wir Hauptamtlichen angenommen haben“, meinte ein IG-Metall-Sprecher.

Selbst bei BMW waren die Beschäftigten sauer. Zwar hatten sich Gesamtbetriebsrat und Management darauf geeinigt, daß der Branchenführer „unter Vorbehalt“ an der 100-Prozent- Lohnfortzahlung festhalte. Aber in den Bayerischen Motorenwerken werden seit gestern die Krankheitstage gesondert notiert. Das zeige, sagte der Betriebsrat, daß BMW zunächst nur „Ruhe für die Produktion“ haben wolle. Christian Füller

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