: "Das Glücksrad ist gigantisch"
■ Grimme-Preisträger Oliver Kalkofe über Harvesta-Heringsfilets, Blut-Eide auf die Kometen der Volksmusik und die Schwierigkeit, sich ständig neue Beschimpfungen ausdenken zu müssen
taz: Wenn ich dich jetzt Speckbulette nenne, verklagst du mich dann?
Oliver Kalkofe: Der Deutsche verklagt zwar gern, aber um ehrlich zu sein, habe ich keinen Bock und keine Zeit, um so etwas Albernes zu machen. Außerdem habe ich derzeit keinen Vertrag mit einem Diätpulver, so daß sich das nicht wirklich lohnen würde.
Kannst du eigentlich selbst einstecken? Lästermäuler wie Harald Schmidt sollen ja empfindlich wie Mimosen sein.
Eigentlich habe ich überhaupt keinen Humor. Ich finde auch meine Sendung gar nicht so witzig. Du mußt natürlich, wenn du so austeilst wie ich, auch einiges einstecken können. Wenn ich eine ernsthafte, schlechte Kritik lese, es draußen regnet, und ich gerade allein zu Hause bei einer Tasse kaltem Tee sitze, dann läuft mir schon die eine oder andere Träne die Wange herunter.
Wie wird man so bösartig wie du? Ist das die Rache dafür, daß du früher im Sandkasten nie mitspielen durftest? Daß Papa bei jeder Gelegenheit Fernsehverbot erteilt hat?
Fernsehverbot habe ich nie bekommen, vielleicht wäre ich dann anders geworden. Ich durfte auch immer mitspielen, außer beim Sport. Schließlich war ich extrem unsportlich. Wenn die Fußballmannschaften aufgeteilt wurden, hieß es immer: „Ihr habt so viele Gute, dafür müßt ihr jetzt Olli nehmen.“ Da bekommt man dann vielleicht schon so'n Ding ab und denkt sich: Na wartet, irgendwann schlag' ich zurück!
Also vorstadtgeschädigt.
Ich bin in Bostel aufgewachsen. Das ist so eine umzäunte Reihenhaussiedlung bei Hannover. Dann später in Peine, einem Zonenrandgebiet zwischen Braunschweig und Hannover. Das ist keine Stadt, sondern lediglich eine Ansammlung von Häusern, wie „Twin Peaks“, nur in Groß. Was man da für ein Weltbild vermittelt bekommt! Als ich dann endlich rauskam und zum Studium nach Münster zog, sah ich plötzlich, daß die Welt ganz anders ist. Daß es auch noch normale Menschen gibt. Da hat sich dann irgendwie so ein Schalter umgelegt und ich habe mich gefragt, was ich all die Jahre gemacht habe. Daraus hat sich dann mein etwas sarkastischer Weltblick entwickelt.
Den dicken Klaus von „Klaus & Klaus“ hattest du, nachdem er seine Beleidigungsklage verloren hatte, zum Trost in deine Sendung eingeladen. Gekommen ist er nicht.
Der Klaus Baumgardt hatte ja immer den ganzen Körper mit irgendwelchen Werbebotschaften vollgeklebt. Damals hatte er den Figura-Fit-Vertrag. Kürzlich sah ich ihn als Harvesta-Heringsfilet. Wahrscheinlich hat er seinen Diätvertrag verloren und deshalb kein Interesse mehr an mir.
Der MDR-Volksmusik-Hero Achim Mentzel hingegen, der wahrscheinlich dank „Kalkofes Mattscheibe“ zu ungeahntem Ruhm gekommen ist, hat gleich die lange Kalkofe-Nacht moderiert. Hat der die Flucht nach vorne angetreten?
Achim Mentzel, auch wenn man's auf den ersten Blick nicht glaubt, ist eben nicht doof und humorlos. Als ich ihn zum ersten Mal sah, dachte ich, der wäre gar nicht echt, sondern eine Computeranimation, ein Ausschnitt aus „Jurassic Parc 2“. Nachdem ich ihn das vierte oder fünfte Mal in der Sendung hatte, hatte ich ihn richtig liebgewonnen: Er kann nicht singen, nicht sprechen, nicht moderieren, aber er macht mit Freude trotzdem mit. Das hat mir sehr imponiert.
Hagelt es nicht jede Woche nach der Sendung Klagen?
Weniger als man denkt. Die meisten werden sich wohl still zu Hause ärgern. Wenn z. B. Dieter Thomas Heck vor seinen „Melodien für Millionen“ die „Mattscheibe“ einschaltet, weil er die „Tagesschau“ nicht versteht, wird er sich schon das eine oder andere Goldkettchen abreißen.
Wie sieht deine Fanpost aus? Hast du schon mal alte Socken statt Autogrammwünsche in den Umschlägen gefunden?
Der drei Seiten lange Beschwerdebrief vom Patrick-Lindner-Fanclub war supergeil. Wir haben wochenlang gerätselt, ob der wirklich ernst gemeint ist: Ich hätte den „Kometen der Volksmusik“ aufs Schlimmste beleidigt. Da waren Bilder eingescannt, Lindner mit Rosen, alles ganz hübsch und völlig gaga. Mit dem Mädchen habe ich dann auch telefoniert. Sie ist 19 Jahre alt und hat einen Blut-Eid geschworen, alles für Patrick Lindner zu tun.
Du sagst, Fernsehen mache krank. Warum schaust du's dir dann trotzdem an?
Manche rauchen, andere trinken. Man sitzt vor der Glotze, ärgert sich, aber schaltet nicht um. Und lästert ab ohne Ende. Wir Menschen sind nun mal paradox. Auch beim Fernsehen.
Ist „Kalkofes Mattscheibe“ dein selbstgesetzter Auftrag, das deutsche Fernsehen vor der Verblödung zu retten? Das Adolf- Grimme-Institut scheint das ja so zu verstehen und hat deine Arbeit mit einem Preis bedacht.
Ja, die irren sich. Ich habe nicht den Wunsch, das Fernsehen besser zu machen, denn das geht gar nicht. Die einzige Chance, die ich für mich sehe, ist, die Leute zum Nachdenken anzuregen, daß sie mal bei bestimmten Sendungen hinter die erste Ebene gucken und sich klar werden, welches Weltbild da eigentlich vermittelt wird. Ich will niemandem das „Glücksrad“ abspenstig machen. Ich finde, das sind gigantische humoristische Veranstaltungen. Hauptsache, es gibt auch Dinge, die anders sind für Leute, die auf eine andere Art lachen.
Immer nur den Volksmusik-Lederhosen und Maren Gilzer eins überbraten – ist das auf Dauer nicht langweilig?
Die „Mattscheibe“ hat das Glück, daß man, solange das Programmangebot weiter wächst, immer wieder neue Aspekte herausholen kann.
Ist es denn nicht auf Dauer ein bißchen einfallslos, einen blassen Schlagermenschen als gehirnlos oder als Schwuchtel zu bezeichnen?
Es ist so schwer, so viele verschiedene Formulierungen zu finden. Ich sage solche Dinge ja nicht einfach so dahin. Es gibt immer irgendetwas, das mich dazu inspiriert hat. Wenn man sich mit weniger intelligenten Dingen befaßt, kommt man zwangsläufig auf die Frage nach dem Gehirn. Und wenn ich sage, daß Caroline Reiber wie die Milka-Kuh im Tuntenfummel aussieht, will ich damit nicht Schwule diffamieren, sondern einfach nur den Blick schärfen für das, was die da eigentlich von heiler Welt erzählt. Ich habe, was schlimm genug ist, soviele Angebote für Talkshows bekommen von Bärbel Schäfer, Hans Meiser, Kerner, Ilona Christen – jeden möglichen Dreck. Die erwarten alle den TV-Terminator, der mal schnell ein paar Leute beleidigt. Aber in diese Rolle will ich mich nicht drängen lassen.
Wo wird Oliver Kalkofe mal enden? Als Moderator einer großen Samstagabendshow?
Ich hoffe nicht, aber es gab schon solche Angebote. „Pack die Zahnbürste ein“ z. B. oder Koschwitz' Night-Talkshow. Aber das möchte ich nicht. Das einzige, worüber ich mal nachdenken würde, wäre „Wetten, daß...“ Aber dazu werde ich wahrscheinlich ohnehin nie kommen. Interview: Axel Schock
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