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Bekennender Mörder für sein Land

■ Dirk Coetzee, früher Kommandeur der „Todesschwadronen“, verfolgte, folterte und mordete im Auftrag des Apartheidregimes

Was Dirk Coetzee zu sagen hatte, war der südafrikanischen Wochenzeitung Vrye Weekblad am 17. November 1989 eine mehrseitige Titelgeschichte wert. In einem Exklusivinterview hatte der ehemalige Geheimpolizist auf der Insel Mauritius gegenüber einem Reporter ausgepackt. Daß die afrikaanssprachige, kritische Zeitung wenig später einging, heißt nicht, daß sie nicht den richtigen Riecher gehabt hatte. Im Gegenteil, Coetzee, damals 44 Jahre alt, war der erste hochrangige Polizist des Apartheidregimes, der seine Karriere als Mörder bekannte und zugab, daß es in Südafrikas Polizei „Todesschwadrone“ gab.

„Es gab Leute, die mein Land übernehmen wollten und die getötet werden mußten“, war Coetzee nach eigenen Angaben von seiner früheren Mission überzeugt. Jetzt, Ende 1989, wollte er endlich sein Gewissen erleichtern. Er verachte sich selbst, bekannte er gegenüber Jacques Pauw, dem Journalisten, der aus Coetzees Geschichte später das Buch „Im Herzen der Hure“ gemacht hat.

Coetzee war auf der Polizeiakademie der Beste seines Jahrgangs, rasch machte er Karriere in der gefürchteten Geheimpolizei. Anfang der 80er Jahre erhielt er einen Auftrag, der ihn besonders ehrte: eine Eliteeinheit der Geheimpolizei aufzubauen, die unnachgiebig politische Gegner verfolgte, folterte und ermordete. Die Einheit erhielt ihren Namen nach der Farm Vlakplaas außerhalb Pretorias, auf der sie stationiert war. Bis 1982 war Coetzee deren Kommandeur. Einer seiner Nachfolger hieß Eugene de Kock, der derzeit in Südafrika vor Gericht steht und bereits des sechsfachen Mordes für schuldig befunden worden ist. Coetzee bekannte sich neben vielem anderen zum Mord an dem bekannten Menschenrechts-Anwalt Griffiths Mxenge im Jahr 1981, für den er jetzt angeklagt wird. 1986 schied Coetzee, der schwer zuckerkrank ist, aus dem Polizeidienst aus. 1989 hatte er sich entschieden, Südafrika zu verlassen und andernorts ein neues Leben anzufangen. Sein Geständnis folgte der Aussage eines wegen Mordes bereits zum Tode verurteilten Mitglieds der Vlakplaas-Einheit, in der er schwer belastet wurde.

Obwohl viele weiße Südafrikaner die Geschichte damals nicht glauben wollten und die Polizeiführung Coetzee als Phantasten abstempelte, hat sich mittlerweile fast alles, was er sagte, als wahr herausgestellt. Mit seinen Bekenntnissen brachte er die berühmte Lawine ins Rollen. Wenn Coetzee heute behauptet, Südafrika sei an der Ermordung von Palme beteiligt gewesen, verleiht das der entsprechenden Aussage von Eugene de Kock erheblich mehr Glaubwürdigkeit – auch wenn sich die beiden ehemaligen Toppolizisten abgrundtief hassen.

Denn für de Kock war Coetzee in jeder Hinsicht ein Verräter. Weil er in Südafrika – zu Recht – um sein Leben fürchtete, tauchte Coetzee mit seinen beiden Söhnen in London unter, wo er zum ANC überlief und unter den besonderen Schutz von Scotland Yard gestellt wurde. Zwei Mordversuche an seinem Vorgänger hat allein de Kock bekannt. Einmal orderte er zwei Killer nach London ab, die jedoch vom britischen Geheimdienst geschnappt wurden. Beim zweiten Mal schickte er ihm 1992 auf Befehl der Polizeiführung eine Briefbombe in die sambische Hauptstadt Lusaka. Coetzee ließ sie jedoch ungeöffnet zurückgehen. Sie tötete statt dessen einen als Absender angegebenen ANC-Anwalt.

Was bis vor kurzem nicht bekannt war: Der heute regierende ANC dankte Coetzee mit einem hohen Posten ausgerechnet in einem der Geheimdienste. Weil ihm wegen des Mordes an Mxenge der Prozeß gemacht werden soll, mußte er den Dienst jedoch quittieren. Wie in Südafrika üblich, ist er auf Kaution frei. Noch vor dem anberaumten Prozeßbeginn im Dezember soll sein Amnestiebegehren vor der Wahrheitskommission gehört werden, versprach deren Vorsitzender Desmond Tutu. Kordula Doerfler, Johannesburg

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