: Abgeordneter streicht Stütze ein
■ Manfred Bruckschen, „Held von Rheinhausen“ und hochdotierter SPD-Politiker, kassiert Arbeitslosengeld
„Soziale Gerechtigkeit“ forderte der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Manfred Bruckschen (SPD) vor acht Jahren auf beinahe jeder Kundgebung. Damals war er noch kein Abgeordneter, sondern Betriebsratsvorsitzender des Krupp-Konzerns. Der „Held von Rheinhausen“ widerstand den Konzernbossen und kämpfte gegen die Schließung der Duisburger Stahlhütte.
Bei seinem eigenen Geldbeutel nimmt Bruckschen es mit der sozialen Gerechtigkeit allerdings nicht so genau. Seit seinem Wechsel in die Politik kassiert er, zusätzlich zu seinen Abgeordnetendiäten von 11.835 Mark, Monat für Monat fast 3.000 Mark Arbeitslosengeld.
Das ist absolut legal: Bruckschen ging nach seiner Entlassung aus dem Krupp-Betriebsrat im Januar dieses Jahres einfach zum Arbeitsamt – obwohl er zu dieser Zeit schon Landtagsabgeordneter war. Da Politiker laut Gesetz weder als Angestellte noch als Selbständige gelten, wertet das Arbeitsamt die Diäten, egal welcher Höhe, nicht als Einkommen. Nur einmal wurde ihm die Stütze gekürzt. Der Politiker hatte, ohne Genehmigung des Arbeitsamtes, zehn Tage Urlaub auf Mallorca gemacht. Auch arbeitslose Abgeordnete müssen stempeln gehen.
Moralische Einwände seiner ehemaligen Kollegen ignorierte Bruckschen. „Er hat glatt abgezockt.“ Theo Steegmann, zu Zeiten des Arbeitskampfes in Rheinhausen zweiter Vorsitzender im Krupp-Betriebsrat, verlangte von ihm, auf das Geld zu verzichten oder es zu spenden. „Er ist größenwahnsinnig geworden. Er tut mir wirklich leid.“
Die letzten Monate in Bruckschens Lebens waren in der Tat tragisch. Er verließ Frau und zwei Kinder und zog in das Haus der neuen Freundin. Das Glück hielt nicht lange. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Er soll betrunken auf die Freundin eingeschlagen haben.
Die SPD-Landtagsfraktion distanzierte sich gestern betont sachlich. Eine Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes sei unausweichlich. Der Rest klang schon fast wie ein Nachruf: Trotz Bruckschens „großer Verdienste“ in den Jahren der Auseinandersetzung um Rheinhausen und obwohl der Bezug des Arbeitslosengeldes „rein rechtlich“ nicht zu beanstanden sei, könne man für sein Verhalten „Verständnis nicht erwarten“. Der CDU-Generalsekretär von NRW, Herbert Reul, fand für den Eklat nur zwei Worte: „höchst unanständig“. Clemens Heidel
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