: Sicherheit umverteilen
■ Kanther schont die Beamtenpensionen
Bundesinnenminister Manfred Kanther weiß, daß der Staat die Beamtenpensionen in absehbarer Zeit nicht mehr bezahlen kann. Deshalb hat der Christdemokrat bei der Vorstellung des Versorgungberichts Umschichtungen angekündigt, mit denen diese Finanzprobleme bewältigt werden sollen. Wichtigste Maxime: Sie sollen so beschaffen sein, daß die Beamten nicht aus ihrer Ruhe gerissen werden.
Kanther ging es dabei nicht in erster Linie um die dringend notwendigen Einsparungen. Er versucht vor allem das eigentliche politische Thema zu umschiffen: nämlich die Umverteilung von Sicherheit. Nichts ging den BürgerInnen in den vergangenen Monaten mehr an die Nerven als die Unsicherheit über die eigene Zukunft, über den Job, die Bezahlbarkeit der Wohnung und der Rente.
Mit der Standortdebatte ohne Vision wuchs das Gefühl der Machtlosigkeit. Der einzelne konnte sich zunehmend als Spielball in einem großen Spiel ohne Regeln verstehen. Sogar der Streit um die Lohnfortzahlung ist eigentlich ein Streit um Sicherheit. Kann man sich auf die Gültigkeit eines einmal erkämpften Tarifvertrages noch verlassen?
Kanthers Signal an die zwei Millionen Beamten ist nicht die einzige Versicherung, die der Minister zur Zeit aussendet. Als Ersatz für verlorengehende soziale Sicherheit schürt die Koalition gleichzeitig eine Diskussion über den Schutz vor Kriminalität. Härtere Strafen sollen die Straßen sicherer machen, wenn man schon seiner Zukunft nicht mehr sicher ist.
Während aber Kanther nur als kruder Law-and-order-Politiker agiert, inszeniert sich CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble als umsichtiger Vordenker der Union in dieser Debatte. Seine Steuerreformpläne mögen umverteilen von unten nach oben. Vor allem aber suggerieren sie neue Verläßlichkeit. Den BürgerInnen wird vermittelt: Ihr könnt eure Steuererklärung wieder selbst erstellen, nach dieser Reform werdet ihr verstehen, was nach dem Zugriff des Finanzamtes vom Einkommen übrigbleibt. Und sie sollen das Gefühl bekommen, daß sich andere BürgerInnen mit gleichem Einkommen auch in gleicher Höhe an den Kosten des Staatswesens beteiligen müssen. Eben Sicherheit. Hermann-Josef Tenhagen
Tagesthema Seite 3
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