: Keine Kräne an der Charite
■ Trotz erneuter Investitionszusage kommt die Sanierung der Charite samt Neubau der Inneren Klinik nicht voran. Dekan befürchtet Weggang qualifizierter Kräfte
Obwohl bereits vor einem Jahr der Grundstein für die Neugestaltung der Inneren Klinik an der Charité gelegt worden ist, gleicht das Gebäude noch immer einer Ruine: Das Haus ist völlig entkernt, nur noch die Fassade der maroden Klinik steht. Von dem geplanten Neubau, der noch vor der Fertigstellung der gesamten Baumaßnahmen im Jahre 2001 fertig sein soll, ist bisher nicht viel zu sehen.
Im Pathologischen Institut gegenüber der Inneren Klinik sind bisher erst wenige Forschungslabors fertiggestellt. Die Renovierung eines Chirurgiegebäudes und der Zentralsterilisation ist wegen fehlender Planungsmittel gestoppt. Das Bettenhochhaus wird ebenfalls nicht saniert. Als „kläglich“ bezeichnet deshalb Dekan Wolfram Sterry die Umsetzung der Baumaßnahmen an der Charité. Der bündnisgrüne gesundheitspolitische Sprecher Bernd Köppl spricht sogar von einem „faktischen Baustopp“.
Köppl kritisiert, daß der Baufortschritt „systematisch“ verzögert werde, obwohl der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) in seinen Leitlinien zur Haushaltsberatung vor drei Wochen erneut bekräftigt habe, daß im Bereich Wissenschaft und Forschung bei den Universitätsklinika die Charité Vorrang habe. Die Charité bekam nach der Zusammenführung mit dem Rudolf-Virchow-Klinikum eine Investitionsgarantie von über 800 Millionen Mark, damit sie am Standort Mitte die zentralen Bereiche, wie beispielsweise die Innere Klinik, erhalten und sanieren kann. Die Hälfte der Kosten zahlt davon der Bund.
Projektleiter Jürgen Kuhl von der Senatsbauverwaltung wehrt sich allerdings gegen die Vorwürfe. Für den Neubau der Inneren Klinik, die über 100 Jahre alt ist, hätte das Grundwasser „sehr langsam“ abgesenkt werden müssen, damit die Bausubstanz in den in der Nähe befindlichen Gebäuden nicht gefährdet werde oder gar abrutsche.
Durch den schleppenden Ausbau und die damit verbundene Planungsunsicherheit stehe die Charité auf „wackligen Füßen“, befürchtet dagegen Wolfram Sterry. Der Dekan hat Sorge, daß die „Konkurrenz“ an der Uniklinik künftig vorbeiziehe. Auswirkungen auf das Personal gibt es bereits jetzt. So hat der Leiter der Pathologie, Manfred Dietl, festgestellt, daß immer häufiger „hochqualifizierte Mediziner“, die nach der Wende mit „Pioniergeist“ an die Charité kamen, mittlerweile überlegten, wieder zu gehen. Auch Sterry geht davon aus, daß sich ungefähr fünf bis zehn „Spitzenleute“ potentiell nach neuen Tätigkeiten umsehen würden.
Auf Antrag der Bündnisgrünen wird heute im Wissenschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses über die Bauvorhaben an der Charité diskutiert. Julia Naumann
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