Unterm Backsteinlaub

■ Der Band „Junge Beiträge zur Architektur“ präsentiert die Nachwuchsgeneration aus Norddeutschland

Es gibt in Hamburg, auch wenn man es der Stadt bisher kaum ansieht, tatsächlich eine stetig größer werdende Gemeinde „junger“ Architekturbüros, die sich an neuen Qualitäten versuchen. In der Reihe Junge Beiträge zur Architektur ist jetzt – neben Berlin und Süddeutschland – auch ein Band zum Norden erschienen, der einen Überblick über diese neuen Pilze unterm Backstein-Laub bietet.

Zwar zeigen viele der hier veröffentlichten Entwürfe schon deutliche Spuren vorauseilenden Gehorsams, und etwas wie der gelungene bunt-futuristische Entwurf von Daniel Gössler für ein Freizeit-Terminal an den Landungsbrücken stellt im Verhältnis der neuen Angebote schon eine kleine Rotzfrechheit dar. Aber selbst die gediegeneren Konzepte schlagen in einer Stadt, deren Architekturbüros alle mehr oder weniger dieselbe ästhetische Diätkost verabreichen, matt leuchtende Funken der Hoffnung.

An manchen Stellen hat sich diese Generation inzwischen auch praktisch betätigen dürfen. Wobei dann doch oft Gebäude entstanden sind, die mehr das Alte verlängern als die Distanz zu neuen Formen zu verkürzen. Das Arbeits- und Sozialamt Harburg von Amorelli, Sembritzki, Tran Viet ist ein solches Beispiel von stilistischem Untertanengeist. Backstein, Bullaugfenster, geschwungene Glasfront, Betonsäulen und dreigeteilte Fassade mit Staffelgeschoß sind eine so originalgetreue Kopie der drei großen Hamburger Langeweiler (Kleffel, Köhnholdt, Gundermann; Bernhard Winking und von Gerkan, Marg und Partner), daß man hier eher vom architektonischen Methusalem-Syndrom sprechen sollte. Gleiches gilt für das Büro Döring, Schlien, Carsten, Wischusen mit ihrem Wohn- und Geschäftshaus in der Behringstraße, dessen Lay-Out direkt aus dem Computer genannter Büros stammen könnte. Daß man für diese phantasielosen Zinskästen überhaupt Architekten bennötigt, verwundert eher.

Aber es gibt auch erfreuliche Beispiele: Dazu gehört neben dem schon erwähnten Büro Gössler vorrangig das Duo Ingrid Spengler/Manfred Wiescholek, auf deren Entwurf eines der feinsten Wohnhäuser der letzten Jahre zurückgeht. Auf dem skandalträchtig planierten Gelände an der Fontenay haben sie mit ihrem Wohnhaus für Robert Vogel bewiesen, daß man auch in Hamburg alt so durch neu ersetzen kann, daß die Schönheit Sieger bleibt.

Auch Dinse, Feest, Zurl sind ein Büro, dem man angesichts ihres eleganten Um- und Erweiterungsbaus von Strom und Hafenbau noch viele Aufträge wünscht. Sie zählen zu den ganz wenigen Teams, die wirklich nach einer eigenen Sprache suchen, und diese auch fähig sind umzusetzen. Andere hier vorgestellte Büros, etwa Bothe, Richter, Therani, oder Bernstorff Architekten sind inzwischen schon bekannte Namen mit prominenten Aufträgen.

Radikale Konzepte sind allerdings ganz rar gesät. Immerhin bescheidene Ansätze extravaganter Problemlösungen, die sicherlich eine Freude fürs Auge aber keine Empfehlung für Hamburgs konservative Baupolitiker und -herren wären, finden sich bei diversen der vorgestellten Architeken.

Zumindest bleibt nach Durchsicht des Bandes, der auch Beispiele aus Braunschweig, Hannover, Bremen, Lübeck und Kiel versammelt, der Eindruck, daß die hier präsentierten Architekten nicht schlimmer sein können, als die momentan in der Stadt bauenden. Bei einigen von ihnen könnte man sicher sein, daß sie Hamburgs Stadtentwicklung aus dem ästhetischen Koma reißen könnten.

Till Briegleb

Verlag Nelte, 160 S., 49 Mark