piwik no script img

■ Neue Chancen in der VolksbildungGummizyklon mit Wasserpumpe

War es Zufall oder pädagogische Absicht? Wie haben früher die Saurierforscher die Jugend angefleht: „Es ist hochinteressant! Die Saurier beherrschten damals den Erdball.“ Demonstratives Gähnen der lieben Kleinen. „Sie waren so groß wie 20 Elefanten übereinander gestellt.“ Die lieben Kleinen werden unruhig und rutschen auf dem Sofa hin und her. Ein letzter Versuch: „Die Saurier lebten und beherrschten die Erde über 600 Millionen Jahre.“ Die lieben Kleinen bewerfen sich mit Brotkügelchen, der Saurierforscher gibt enttäuscht auf, insgeheim die Menschheit und besonders die junge verfluchend und ihr ein Ende wünschend wie den Sauriern.

Damals waren Saurierforscher häßliche, verbitterte Männer, nur Leichenöffner hatten einen noch schlechteren Ruf als die Saurierforscher. Die Kinder antworteten auf die Frage nach dem Beruf des Vaters: „Wissenschaftler“.

Wie ist es dagegen heute? Kein Saurierforscher, der nicht zu Wohlstand und Reichtum gekommen wäre, seitdem Steven Spielbergs „Jurassic Park“ den Nachwuchs dazu brachte, sich mit den Fähigkeiten des Brontosaurus Sterpotticum zu beschäftigen: „Mann, ey, der konnte Säure aus den Augen spritzen!“ Der neue Traumberuf der Jugend: Saurierforscher. Die Zunft konnte ihre häßlichen braunen Mäntel gegen flippige Armani-Anzüge eintauschen, bei den großen Saurierkongressen füllen Luxuskarossen und Privatjets die Großparkplätze.

Alles nur Zufall oder eine Verschwörung zur Hebung des Bildungsniveaus? Werfen wir einen Blick auf eine weitere verachtete Zunft, die Meteorologen. Niemand versteht ihre Begeisterung für Luftwirbel, denen sie sogar spezielle Namen geben. Ja, das Wetter der nächsten Wochen, das würde schon viele interessieren, aber da scheitern die Meteorologen noch immer, trotz Satelliten und Computern. Was kann langweiliger sein als ein Stehempfang von Meteorologen? Wer hat die schönste Kumuluswolke gesehen, das tiefste Tiefdruckgebiet? Keinen interessiert das. Die Kinder, nach dem Beruf ihrer Väter gefragt, sagen „Wissenschaftler“, und Kachelmann ist der Horror der Nation.

Es mußte etwas geschehen. So schlimm ist die Meteorologie gar nicht, jedenfalls nicht schlimmer als die Saurierforschung. Eher sogar um ein vielfaches besser, ein Film muß her, so wie damals „Jurassic Park“, bloß halt über Meteorologie. Spannend muß er sein und voller Computeranimationen. Wirbelstürme wären nicht schlecht – nennen wir ihn „Twister“.

Die Kinder sind begeistert, das Konzept geht auf. Die Spielzeugindustrie stellt sich radikal um und statt Plastiksaurier kleine Gummiwirbelstürme her. Manche zum Aufziehen, manche mit Batterie und Motor. Wer Kinder belauscht, hört dies: „Ich hab jetzt meinen zweiten Zyklon des B-Typs mit Wasserpumpe.“ – „Ach, B-Typ, kuck dir mal meine Windhose für die Badewanne an. Die nimmt sogar Plasteentchen mit nach oben.“

Es klappt. Das Allgemeinwissen über Meteorologie wird immer größer. Die Pädagogik der Zukunft wendet sich den nächsten Gebieten zu. Sinologie und überhaupt vergleichende Sprachforschung werden unter dem Arbeitstitel „Als die Wörter zurückschlugen“ aufbereitet. Man geht von einer nachhaltigen Verbesserung der Rechtschreibung aus. Ein anderes Stiefkind der Öffentlichkeit, die Soziologie, wird ebenfalls zum Film und zur „Magie der Leidenschaft“. Genaueres über das Drehbuch ist noch nicht bekannt, aber jedenfalls retten zwei unabhängig voneinander arbeitende Teams von Soziologen die Erde vor einer bisher unbekannten Unregelmäßigkeit. Falko Hennig

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen