: "Lieber selber sparen"
■ Die "Volksfürsorge" bietet eine Versicherung gegen die finanziellen Folgen bei Arbeitslosigkeit. Wie nützlich ist diese von dem Konzern selbst so genannte "Innovation im Versicherungsmarkt" tatsächlich?
Wer kennt sie nicht, die melodiöse Ohrwurm-Werbung „Keine Sorge – Volksfürsorge“? Sorgen sollten sich auch nicht länger die Menschen machen, deren Arbeitsplatz gefährdet ist. Deshalb brachte das Hamburger Versicherungsunternehmen Anfang des Jahres die bundesweit erste Arbeitslosenversicherung auf den Markt.
Eher zufällig sei dieser Zusatzschutz für Arbeitslosigkeit entstanden, erzählt Konzernsprecherin Bettina Zander. Als Unternehmen mit gewerkschaftlich-genossenschaftlichen Wurzeln habe es in Absprache mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und einiger Einzelgewerkschaften schon seit Jahren für die Versicherten die Möglichkeit gegeben, bei Arbeitslosigkeit über eine Police den Beitragsobolus zu zahlen. „Da lag die Idee der Arbeitslosenversicherung einfach nahe“, so Bettina Zander, für die das Produkt „die einzige Innovation im Versicherungsmarkt seit Jahren“ bedeutet.
Das Angebot: Mit der Police wird das letzte Nettogehalt des Kunden im Versicherungsfall, sprich also bei Arbeitslosigkeit, von den üblichen 60 beziehungsweise 67 Prozent aus dem Topf der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit auf 90 Prozent aufgestockt.
Auf diese Innovation habe der Markt allerdings nicht unbedingt gewartet, kontert Wolfgang Scholl, Versicherungsfachmann bei der Verbraucherzentrale (VZ) Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Für ihn hat die Police den Charakter eines „Versicherungslottos“: „Wer bereits die Wartezeit übersteht, ohne arbeitslos zu werden hat Glück gehabt, wer in dieser Zeit arbeitslos wird, hatte eben Pech.“
Denn wie bei jeder Versicherung kommt es auch bei der „Privaten Vorsorge bei Arbeitslosigkeit“ (PVA) der Volksfürsorge auf das Kleingedruckte an. Als Kunden akzeptiert der Versicherer ohnehin nur Arbeitnehmer, die eine seit drei Jahren ungekündigte Vollzeitstellung nachweisen können. Und nicht nur das: Um das Risiko klein zu halten, akzeptiert die Versicherung nur Beschäftigte, die weder jünger als 22 noch älter als 50 Jahre alt sind. Zwei Jahre müssen die Versicherten erst einmal die Prämie (mindestens 12 Mark pro 100 Mark Arbeitslohn) zahlen, um überhaupt einen Anspruch auf die Leistungen zu bekommen. Der Haken bei der Sache: „Wer 23 Monate seine Beiträge eingezahlt hat und im 24. Monat arbeitslos wird, geht leer aus“, moniert VZ-Experte Wolfgang Scholl. Und nicht nur das: Der Versicherungsnehmer bekommt ab dem 25. Monat seine PVA ohnehin nur für maximal zwölf Monate ausgezahlt, wobei er während dieses Zeitraums auch weiterhin seine Versicherungsbeiträge zahlen muß. Noch einen weiteren Nachteil sieht Scholl: „Der Kunde kann nach der PVA-Auszahlung erst dann wieder eine neue Versicherung abschließen, wenn die Wartezeit dreimal so lang ist wie die Zeit des vorherigen Leistungsbezuges.“
Unternehmenssprecherin Bettina Zander kennt diese Kritik. Daß die PVA eine „Mogelpackung“ sei, habe das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) widerlegt. Richtig ist, daß das BAV die Tarife insofern für seriös hält, daß die Volksfürsorge die Verträge auch langfristig gesehen erfüllen kann und nicht daran pleite gehen wird. Wie sinnvoll die Arbeitslosenversicherung wirklich ist, müsse jeder Arbeitnehmer für sich entscheiden.
Eine länger andauernde Auszahlung der Vorsorge mache keinen Sinn, heißt es in der Hamburger Vofü-Zentrale, „da beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf die Arbeitslosenhilfe nach einem Jahr alle zusätzlichen Einnahmen mit angerechnet werden“. Deshalb plädiert der Versicherer dafür, die Arbeitslosenversicherung mit in die vermögenswirksamen Leistungen zu integrieren. Denn das Geschäft mit der Arbeitslosenversicherung ist nicht gerade ein Renner. Seit Jahresanfang hat die Volksfürsorge, so Bettina Zander, bis Ende August gerade einmal 2.000 Kunden für die „Marktinnovation“ gewinnen können. Daß der Branchenriese „Allianz“ bislang kein Konkurrenzangebot vorgelegt hat, deuten Insider in der Versicherungsbranche als eindeutigen Hinweis: Mit einer Arbeitslosenversicherung ist kein Geld zu verdienen.
Für Wolfgang Scholl von der Verbraucherzentrale sind die Gründe klar: „Die Arbeitslosenversicherung ist eine Luxusversicherung, die keiner braucht.“ Sein Rat: In guten Zeiten solle man sich ein eigenes Finanzpolster ansparen: „Damit fahren die Versicherungskunden sicherlich besser.“ Ralf Köpke
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