■ Mit der Gen-Kartoffel auf du und du
: Tolle Knolle?

Berlin(taz) – Die gentechnische Industrie rückt der Kartoffel auf die Pelle. Neben Tomaten, Mais, Sojabohne und Raps wird mit Hochdruck an der genmanipulierten Kartoffel gearbeitet. Nachdem der US-Chemieriese Monsanto bereits 1994 die Zulassung für seine Gen- Kartoffel „New leaf“ erhielt, die gegend den Kartoffelkäfer resistent sein soll, ziehen nun die Holländer nach. Nach Auskunft des Gen-ethischen Netzwerks hat die niederländische Agrarfirma Avebe – der nach Selbstauskunft „größte Stärkeproduzent der Welt“ – eine Sorte entwickelt, die einen hohen Amylopektingehalt in der Kartoffelstärke aufweist. An solchen Erdäpfeln hat die chemische und papierverarbeitende Industrie ein reges Interesse. Die Industrie ist der Hauptabnehmer für Stärke.

Auch in Deutschland laufen inzwischen die ersten Freisetzungsversuche mit der Knolle an. Nach Auskunft der Bundesanstalt für Züchtungsforschung in Quedlinburg wird derzeit in zwei Freilandversuchen eine Gen-Kartoffelsorte getestet. Das Robert-Koch-Institut in Berlin hat dem Antrag auf Freisetzung stattgegeben. Dabei beruft sich die Behörde auf das Gentechnikgesetz von 1990, das in bezug auf mögliche Risiken bei der Freisetzung eine „sachgerechte Abschätzung von Kosten und Nutzen“ vorsieht. Die Berliner Gesundheitssheriffs trotz aller Proteste mittlerweile 42 angemeldeten Freisetzungsversuchen mit genmanipulierten Pflanzen genehmigt.

Bei dem Experiment in Quedlinburg handelt es sich um die Kartoffelsorte Désirée,die durch Einschleusung des sogenannten Lysozym-Gens gegen den Ervinia-Erreger resistent gemacht werden soll. Das Bakterium ist für Nassfäule und Schwarzbeinigkeit verantwortlich, zwei Krankheiten, welche die Kartoffel ungenießbar machen. Für Klaus Düring, den Leiter des Projekts, ist es bereits der zweite Anlauf: Bei seinem ersten Freisetzungsversuch in Hamburg mußte er sich dem Druck der Öffentlichkeit beugen und das Feld räumen.

Beim Max-Planck-Institut in Köln laufen die Forschungen in Richtung Kraut- und Knollenfäuleresistenz. Laut der Bayrischen Landesanstalt für Pflanzenbau wollen die Forscher die Kartoffel durch Manipulation von zwölf Genen gegen den Phytophtorapilz unschädlich machen. Dieser wird in der herkömmlichen Landwirtschaft bislang mit dem massiven Einsatz von Fungiziden bekämpft. Sollten die Forscher mit ihren Manipulationen Erfolg haben, gerät nach Meinung von Experten auch die biologische Landwirtschaft unter Druck – weil dann nämlich auch die konventionellen Landwirte weniger Chemie auf die Kartoffeläcker spritzen müßten. Achim Rust