: Gebrauchte Waffen weltweit gefragt
■ Der Waffenhandel boomt ungebrochen, lautet das Fazit einer Anhörung im Bundestag. Kontrolle ist kaum möglich
Bonn (taz) – Lauter gute Nachrichten: Weltweit sind die Militärausgaben in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent gesunken. Die Waffenbestände gingen um 13 Prozent zurück und die Personalstärke der Streitkräfte wurde um 12 Prozent verringert. Der internationale Waffenhandel ist zwischen 1987 und 1995 sogar um mehr als die Hälfte zurückgegangen.
Aber der schöne Schein trügt. Das Ende des Kalten Krieges und Kürzungen von Militärhaushalten haben zu einer „regelrechten Schwemme überschüssiger, gebrauchter Waffen“ geführt. Der Handel mit Kleinwaffen steigt, und sie können relativ problemlos gekauft werden. „Da in einigen Kriegen ganze Gesellschaften militarisiert und mit Kleinwaffen ausgerüstet wurden, ist die Kontrolle schwierig. In Mosambik, so wird geschätzt, sind sechs Millionen Kalaschnikow-Maschinenpistolen im Umlauf.“
Diese Informationen lieferte das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC) den Mitgliedern des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zum Thema „Rüstung und Entwicklungszusammenarbeit“ wollten die Abgeordneten von Sachverständigen verschiedener Institute und Organisationen Einzelheiten zum Rüstungsexport in Entwicklungsländern erfahren.
Die Erkenntnisse liefern keinen Grund zum Optimismus. Entwicklungsländer sind heute die Hauptabnehmer im Rüstungsgeschäft. „Saferworld“ in London zufolge entfielen zwischen 1992 und 1995 auf sie weltweit 63 Prozent aller Rüstungsverträge.
Deutschland zweitgrößter Waffenexporteur der Welt
Dem kommt vor dem Hintergrund Bedeutung zu, daß Rüstungsunternehmen in den Industriestaaten zunehmend über wirtschaftliche Probleme klagen. Deutschland ist heute der zweitgrößte Rüstungsexporteur der Welt, legt man die Daten des UN-Waffenregisters und die Erhebungen des Stockholmer Sipri-Instituts zugrunde. 1994 und 1995 hat die Bundesregierung eine Reihe politischer Beschlüsse zur Lockerung des Exports von Rüstungsgütern gefaßt. Die „Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE) fürchtet, daß der Trend zur Lockerung von Rüstungsexportbestimmungen sich im Zusammenhang mit der Fortschreibung des Maastricht- Vertrages der Europäischen Union fortsetzen wird.
In den letzten Jahren sind zahlreiche Verstöße deutscher Unternehmen gegen die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Rüstungsgütern bekanntgeworden. „Kontrollregime können den illegalen Handel nie zu 100 Prozent verhindern“, warnen die Sachverständigen der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP), fügen jedoch gleichzeitig hinzu: „Sie können aber dazu beitragen, daß einerseits die Kosten für denjenigen Staat, der die Kontrolle unterlaufen will, so hoch werden, daß er möglicherweise von seinem Vorhaben Abstand nimmt. Andererseits können sie im Falle der Entdeckung illegalen Handel durch Sanktionen ahnden und dadurch auf potentielle Nachahmungstäter abschreckend wirken.“ An Abnehmern für Waffen wird es auch in Zukunft nicht fehlen. Die globalen Veränderungen der letzten Jahre haben zwar das Ringen der Weltmächte um militärische Vormachtstellung beendet, interne Ursachen für Konflikte aber nicht beseitigt. So kommt SWP beispielsweise für Ostasien und Südasien zu dem Ergebnis: „Das Ende des Ost-West-Konflikts hat die Aufrüstung der Region insgesamt nicht gebremst, sondern beschleunigt.“ Der Spielraum für die Durchsetzung hegemonialer Ansprüche Chinas und Indiens sei durch die politische Entwicklung vergrößert worden.
Sachverständige forderten während der Anhörung eine Harmonisierung der europäischen Rüstungsexportpolitik, eine Verbesserung der Koordination von Geberstaaten in ihrer Politik den Entwicklungsländern gegenüber und eine Neufassung der Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Rüstungstransfer. Er solle, so die Experten der GKKE, nur noch bei strikter Bindung an die „Friedensverträglichkeit“ zulässig sein. Für derartige Maßnahmen ist allerdings zunächst einmal der politische Wille aller Beteiligten erforderlich. Bettina Gaus
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