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Im Birma der Militärjunta regiert die Angst

Flucht an die Grenze oder ins Exil, Verhaftungen, Schließungen von Parteibüros: Angesichts der gnadenlosen Repression hat die Opposition gegenwärtig nicht viel mehr Möglichkeiten, als zu zeigen, daß es sie noch gibt  ■ Aus Rangun Jutta Lietsch

Noch wehen die rotgelben Banner mit dem auffliegenden Pfau – Wahrzeichen der Opposition – trotzig am Gartenzaun Aung San Suu Kyis. Ein großes rotes Transparent über dem Tor grüßt in birmesischer Schrift: „Willkommen!“

Rangun, University Avenue: Nur für ein paar Tage hat die Polizei die Stacheldrahtbarrikaden beiseite geräumt, die den Zugang zum Haus der Oppositionspolitikerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi seit Ende September versperrten. Sofort zeigen sich die Aktivisten der „Nationalen Liga für Demokratie“ (NLD), junge Männer wie ältere Frauen, wieder vor dem Gartentor.

Am gelb-grünen Zaun versucht jemand, eine Parteifahne wieder freizuziehen, die sich verwickelt hat – unter den wachsamen Augen der Geheimpolizei, die sich auf der anderen Straßenseite hinter einem rostigen Zaun kaum verbirgt. Doch kurze Zeit später sperren bewaffnete Polizisten die Straße erneut ab, nur eine Handvoll NLD- Führer dürfen zum Grundstück Suu Kyis vordringen.

In dem Katz-und-Maus-Spiel zwischen der Regierung und ihren Kritikern kann die Opposition gegenwärtig nicht viel mehr tun, als zu zeigen, daß es sie noch gibt. „Dabei sind wir aber leider die Maus“, sagt ein NLD-Mitglied. Er muß jeden Moment damit rechnen, verhaftet zu werden.

Alle, die noch aktiv sind, „wissen, daß sie registriert sind, daß sie auf Videofilmen, Fotos und in dicken Akten festgehalten sind“, sagt ein birmesischer Journalist. Auf dem großen Seegrundstück Suu Kyis wohnen ständig Dutzende NLD-Mitglieder aus dem ganzen Land, viele von ihnen suchen Schutz oder Trost.

Niemand kann sagen, wie stark die Partei heute noch ist, die bei den Parlamentswahlen vor sechs Jahren zum großen Entsetzen der herrschenden Militärs über 80 Prozent der Sitze gewann. „Auch Aung San Suu Kyi oder der Generalsekretär der Partei, Aung Shwe, wissen nicht, wie viele Mitglieder oder lokale Parteibüros noch aktiv sind“, berichtet ein NLD-Mitglied.

Wer in den letzten Jahren nicht in den Dschungel, ins Exil floh oder ins Gefängnis geworfen wurde, den hat die Militärjunta in den vergangenen Monaten massiv unter Druck gesetzt. Hunderte NLD-Anhänger wurden nachts aus ihren Häusern geholt und verhört, Dutzende Parteimitglieder sind zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden.

Nach den Massenverhaftungen vom Mai mußten NLD-Aktivisten in den Polizeizentralen ihrer Partei abschwören, um wieder freizukommen. Oppositionelle, die mit Exilbirmesen in Indien zusammenarbeiteten, flogen auf und sitzen jetzt in Haft.

Auch für die gewählten NLD- Abgeordneten und Regimekritiker, die sich 1990 in die Gebiete der ethnischen Minderheiten geflüchtet hatten und dort eine „Provisorische Regierung“ gründeten, wird die Lage immer schwieriger. Ihr ehemaliges Hauptquartier in Manerplaw nahe der Grenze zu Thailand ist jetzt in der Hand der Regierungstruppen. Nun sitzen sie isoliert in den Grenzregionen zu Thailand, China und Indien.

In der Hauptstadt werden jene Führer der Partei, die noch auf freiem Fuß sind, streng bewacht. Aung San Suu Kyi, deren Wochenend-Ansprachen über den Gartenzaun die Polizei seit Ende September verhindert, bleibt abgeschottet. Ihr Telefon wird gestört, sie steht quasi unter Hausarrest. „Sie ist wie ein Vogel im Käfig, dessen Flügel immer mehr beschnitten werden“, schrieb ein Kommentator in Bangkok kürzlich.

Das Hauptquartier der Partei und die meisten NLD-Büros mußten in den letzten Tagen schließen. „Die Behörden sagten den Vermietern einfach: Wenn ihr die NLD nicht rauswerft, werdet ihr enteignet. Sie verboten ihnen aber auch, ihre Gebäude an die Partei zu verkaufen“, berichtet ein Anhänger der Opposition.

In den Straßen und Teehäusern der Hauptstadt ist Angst spürbar. „Natürlich finde ich Aung San Suu Kyi gut“, meint ein ehemaliger Student der Universität von Rangun, der sich jetzt als Taxifahrer durchschlägt, „aber ich rede nicht über Politik.“ Ein birmesischer Seemann hält den Finger vor den Mund: „Es ist besser, nichts zu sagen. Wir wollen nur unsere Ruhe.“ Ein junger Maler sagt einfach: „Kein Kommentar.“

Unerbittlich schlägt die Regierungspropaganda auf die Bevölkerung nieder. Presse, Radio und Fernsehen sind fest in der Hand der Militärjunta, die sich „Staatsrat zur Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung“ (SLORC) nennt und das Land in „Myanmar“ umgetauft hat.

„Wunsch des Volkes“ steht in birmesischer und englischer Sprache auf riesigen weißroten Schautafeln in den Straßen Ranguns, die zum Kampf gegen jene Personen aufrufen, „die von ausländischen Elementen abhängig sind, als Strohmänner oder -frauen agieren und negative Ansichten vertreten“. In der englischsprachigen Zeitung The New Light of Myanmar haben diese Slogans täglich einen festen Platz. Jeder weiß, daß der wütende Feldzug gegen „Marionetten des Auslands“ sich nur gegen eine Person richtet: Aung San Suu Kyi, die mit einem Briten verheiratet ist.

Sie sei keine wirkliche Birmanin, ihre Kinder seien „Bastarde“, Suu Kyi stehe im Sold ausländischer Regierungen. Sie lasse sich von den USA aufstacheln. Ihr Ehemann sei vom britischen Geheimdienst auf sie angesetzt, so die birmesischen Zeitungen über die Tochter des Unabhängigkeitshelden Aung San, die 28 Jahre lang im Ausland lebte, bis sie 1988 in ihre Heimat zurückkehrte.

So grob und unter die Gürtellinie gezielt seien die Beschimpfungen gegen die Oppositionspolitikerin, sagt ein Birmese und schüttelt sich, „daß die Militärs damit das Gegenteil bewirken: Suu Kyis Popularität steigt. Diese Propaganda verletzt das Anstandsgefühl der Leute, es ist ihnen unerträglich.“

Wie aber kann es weitergehen? Dies fragen sich in diesen Tagen westliche Diplomaten und Oppositionelle in Rangun. In der vergangenen Woche versammelten sich 70 NLD-Mitglieder im Haus des Vizevorsitzenden Tin Oo und beschlossen, die Junta zum Dialog aufzufordern. Das aber verkündet die Partei seit Jahren. Die Ankündigung ist deshalb wohl mehr eine politische Geste, die der Welt mitteilen soll: Wir machen weiter.

Bislang stellen sich die Militärs weiterhin taub. Aung San Suu Kyi bleibt nichts, als immer wieder neue Herausforderungen zu finden, damit das Ausland sein Interesse an Birma nicht verliert und den Druck auf die Generäle nicht vermindert. Dafür bleiben der Friedensnobelpreisträgerin aber nicht viele Mittel: Sie hat stets klargemacht, daß sie Blutvergießen vermeiden und die Bevölkerung nicht zum aktiven Widerstand gegen die Junta auffordern will.

Suu Kyi und die Partei haben auch angekündigt, daß sie an einer neuen, demokratischen Verfassung arbeiten. Dies hat die Generäle so erzürnt, daß sie die „unberechtigte Ausarbeitung einer neuen Konstitution“ mit Haft bis zu 20 Jahren bedrohen.

Bislang gibt es in Rangun nur wenige Anzeichen für eine Opposition außerhalb der NLD Aung San Suu Kyis – abgesehen von den ethnischen Minderheiten, die Unabhängigkeit oder Autonomie von Rangun fordern.

Wenn es innerhalb der Militärjunta selbst Streit geben sollte, so dringt nichts davon nach außen. Kürzlich allerdings erhob ein alter Mann seine Stimme: Die Junta müsse mit Aung San Suu Kyi reden. Die anhaltende Konfrontation schade dem Land, schrieb der über achtzigjährige ehemalige Verteidigungsminister des Landes, Bohmu Aung, an die Regierung.

Der ehemalige General gehört ebenso wie Suu Kyis Vater Aung San und der greise Diktator Ne Win zu den legendären „30 Kameraden“, die Birma in die Unabhängigkeit führten und als Nationalhelden verehrt werden.

Bislang aber schweigt die Junta.

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