Das Portrait
: Der „kleine große“ Komponist

■ Friedrich Hollaender

Ohne Marlene wäre er, wie Charlie Chaplin ihn einmal beschrieb, nicht minder der „kleine Große“ gewesen. Doch hätte er nicht für die Dietrich „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ getextet und komponiert, wäre sein Ruhm heute vorwiegend akademischer Art: Friedrich Hollaender, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, hat sich nicht nur mit diesem Lied ein mehr als kleines Eckchen in der Ruhmeshalle musikalischen Unterhaltungsgewerbes gesichert. Er, der in London als Sohn des Komponisten und Kapellmeisters Victor Hollaender geboren wurde, hat zudem die Evergreens „Falling in Love“, „Ich bin die fesche Lola“, „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ oder „Wenn ich mir was wünschen düfte“ verfaßt. Hollaender, klein von Wuchs, jüdisch, großstädtisch, zeitgeistig quirlig, nervös und generös in einem, gehörte als Soundgeber zum Berlin der Weimarer Republik ebenso wie Kurt Tucholsky, Klabund, Walter Mehring, Bertolt Brecht, Blandine Ebinger oder Marlene Dietrich – eine Allianz auf dem Wege zu Ruhm und Schönheit. Hollaender verkörperte darin so etwas wie eine deutsche Unterhaltungskultur, wie sie mit dem Aufstieg der Nazis vernichtet wurde: intelligente Texte, klein, fein und beileibe nicht für die Ewigkeit zu Papier gebracht; pfiffige Melodien, die sich nicht zu schade waren, zu Schlagern zu werden. Friedrich Hollaender war dabei eines nicht: ein Tonsetzer der Gemütlichkeit. Er hat sehr wohl „Choräle aus dem Schlamm“ (so ein Kritiker) zu seiner Zeit beigesteuert, kleine, bisweilen melancholische Weisen, die so gar nicht die Stammtische bedienten, sondern vor allem den linken Intellektuellen gefielen.

Die Nazis verstanden seine Kunst zu Recht als Teil der „jüdisch-bolschewistischen Asphaltkultur“ zu frech, zu ironisch, zu komisch und zu erwachsen. Hollaender floh 1933 vor den neuen deutschen Machthabern nach Hollywood. Nach einigen weniger erfolgreichen Jahren war er schließlich wieder dick im Geschäft: Von 1940 liefert er Hits für Bing Crosby, Dorothy Lamour und wiederum Marlene D. Nach über 200 Filmmusiken kehrt Hollaender schließlich 1955 nach Deutschland zurück. In Billy Wilders „Eins, Zwei, Drei“ spielte er noch mal selbst eine kleine Rolle – um sich dann aus dem Filmgeschäft zurückzuziehen. Am 18. Januar 1976 starb Hollaender in München. JaF