: TiK: Premiere von Lessings Lustspiel „Die Juden“
Von einem großen goldenen Rahmen ist die Bühne umgeben. Warum so altertümlich und distanziert? Oder ist es nur eine Anspielung auf den Neo-Kitsch des ausgehenden Jahrhunderts? Die Kostüme von Jürgen Westhoff und die Bühne (Monika Morsbach) mit einem jungen Bäumchen in poppigem Grün haben auch diesen Anstrich. Der Baron (Peter Maertens) samt draller Tochter im Flokati-Top (Nicola Thomas) und uniformierten Dienern tragen heiteres Gelb und Arier-Blond. Der unerkannte jüdische Reisende (Nicki von Tempelhoff) hält sich zurück in bescheidenem, distinguiertem Anthrazit.
Das Regie-Debüt Leonhard Koppelmanns erfreut mit Witz und Tempo. Er muß nichts wagen, hat nichts zu befürchten. Das Vertrauen seitens des Hauses ist groß. Die Aufführung will nicht abgehoben sein, bleibt der Tradition verbunden. Aber die Farben sind leuchtender, die Gags unverbraucht. Jugendlicher Schwung belebt diese Inszenierung, die sich vor Avantgarde zu hüten weiß. Sicher sitzt das Stückchen, eingepflanzt in eine Spielplanlücke, im heimischen Nest, streckt nur ab und zu vorwitzig den Kopf heraus.
Gut geübte Slapsticknummern, die Lach- und Schießeinlagen des Barons und seine leisen, schwulen Anbaggerversuche jagen sich im ersten Drittel. Dieses frühzeitige Abbrennen des Spaßfeuerwerks läßt im Folgenden die Spannung einbrechen. Aber da wird es ja auch ernst. Lessings Problemkomödie zeigt uns nach ausufernden Höflichkeitsstreitereien den Juden hinter seiner zur Schau getragenen Redlichkeit in arger Bedrängnis.
Die Gastfreundschaft des Barons, der ihm sein Leben verdankt, einerseits, die pauschalisierenden Beschimpfungen „der Juden“ andererseits stürzen ihn in einen Loyalitätskonflikt. Er leidet bei jeder Erwähnung seines Volkes unter schweren Erstickungsanfällen, verschluckt sich gar an einer Zigarre. Eindrucksvoll angestrengte Verzweiflung. „Herrgott, ich weiß ja, daß wir dein auserwähltes Volk sind. Aber könntest Du nicht bitte nächstes Mal jemand anderen auswählen?“
Er wird zur Aufdeckung genötigt. Dabei trägt er die Maske, die ihn den anderen so zeigt, wie sie „die Juden“ sehen wollen: mit Schläfenlocken, Ziegenbart und riesiger Krummnase. Die Zuspitzung schlägt an, die Unterhaltung auch. Koppelmann verabreicht ein feines Lustspielchen ohne Moralin mit wohldosierten Spitzen, weitgehend nebenwirkungsfrei.
Ilka Fröse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen