: Mimulus und Seleranthus
Bachblüten sind „in“ – für jeden und gegen beinahe jedes Problem, ob menschlich oder tierisch / Bei einer Heilpraktikerin war ■ Judith Weber
Beim Betreten der Praxis schnuppere ich mißtrauisch. Räucherstäbchen oder irgendein ätherisches Öl. Wenigstens nicht der sterile Geruch, wie er oft in Arztpraxen hängt. Ob das schon die Bachblüten sind, die so duften? Uscha Martens, Heilpraktikerin und Besitzerin der Praxis, findet das zum Lachen. Bachblüten riechen nicht, erfahre ich und bekomme zum Beweis ein kleines braunes Fläschchen unter die Nase gehalten. Pa- tienten bekommen die Blütenessenzen in Alkohol gelöst, und nur der riecht. Das sollen sie also sein, die Wundertropfen gegen meinen studentischen Klausurenstreß?
„Nicht nur das“, bestätigt Martens. Bachblüten gebe es für oder gegen viele Probleme. Glaubt man ihrem Finder und Namensgeber Dr. Edward Bach, dann helfen sie gegen „alle grundsätzlichen negativen Seelenzustände des menschlichen Charakters“. Vor zehn Jahren waren die Blüten in Deutschland noch fast unbekannt. Mittlerweile arbeiten außer Heilpraktikern auch Tierärzte mit ihnen. 38 verschiedene Blüten hat der Engländer Bach vor etwa 60 Jahren entdeckt und zu Tropfen verarbeitet. Aber ist meine Überarbeitung ein „grundsätzlicher negativer Seelenzustand“, dem so abgeholfen werden kann? Ich bin skeptisch, das Ganze erinnert mich an eine Art Natur-Droge.
Wieder eine Idee, die meine Heilpraktikerin zum Lachen bringt. „Die Blüten wirken nicht wie eine Droge oder ein Medikament“, erklärt sie. „Es ist, als ob man eine Zeitung liest. Man nimmt nur die Informationen auf und nicht das Papier selbst.“ Im übertragenen Sinn: Die Tropfen können den Körper nur unterstützen und ihm quasi empfehlen, sich gegen etwas Negatives zu wehren, ihn aber nicht direkt beeinflussen.
Die passenden Tropfen zu finden ist nicht leicht, weil es viele Misch- und Kombinationsmöglichkeiten gibt. Mich läßt Martens erstmal erzählen, weshalb ich gekommen bin. „Mehr auf Empfehlung eines Freundes als aus Überzeugung“, gebe ich zu, bin aber doch neugierig geworden. Die Heilpraktikerin hält mir einen Kasten mit 38 Fläschchen hin, jedes mit einer anderen Blüte verziert. „Greifen Sie zu“, fordert sie mich auf. „Suchen Sie fünf Flaschen aus, einfach nach Gefühl.“ Diese fünf Blüten kommen in die engere Wahl. Die meisten Namen auf den Etiketten sagen mir nichts: Seleranthus, Crab Apple, Rescue, Mimulus – wirken sollen sie gegen Symptome von Erschöpfung, Angstzuständen und Alltagsfrust bis hin zu mangelndem Selbstvertrauen.
Die einzige mir bekannte Pflanze ist die fünfte, die Lärchenblüte. Die soll helfen, schwierige Dinge in Angriff zu nehmen und optimistisch zu sein. Das hört sich doch gut an im Hinblick auf meine Klausuren, finde ich. Aber so leicht sei das nicht, bremst mich Martens. Sie drückt mir die Flasche in die rechte Hand, den linken Arm muß ich ausstrecken. „Wenn die Blüte Ihnen hilft, bleibt der linke Arm stabil. Wenn nicht, haben die Muskeln weniger Kraft“, erklärt sie mir und drückt sanft gegen meine Hand. Hält. Die nächste Blüte. So testen wir eine Flasche nach der anderen.
Reagieren nicht viele PatientInnen skeptisch angesichts dieser Methode? „Anfangs schon“, räumt Martens ein. Aber diejenigen, die in ihre Praxis kommen, seien meist offen für neue Ideen. Das habe ich mir auch vorgenommen und lasse mir eine Mischung aus drei Blüten verkaufen – in der Hoffnung, daß die 40 Mark sinnvoll angelegt sind. Denn meine Krankenkasse will die Tropfen nicht bezahlen. „Das gehört nicht zu unseren Leistungen“, belehrt mich eine Sachbearbeiterin. Schließlich seien die Blüten kein Ersatz für eine Behandlung beim Arzt, allenfalls könnten sie Krankheiten vorbeugen.
Ich verspreche, die Bachblüten viermal täglich zu nehmen und gehe nach Hause in der Überzeugung, etwas ganz Besonderes gefunden zu haben. „Na, wie war's“, begrüßt mich meine WG-Genossin. Als ich erzählen will, winkt sie nach zwei Sätzen ab. „Ach, Bachblüten. Die kenne ich – unser Hund kriegt auch welche gegen seine Darmbeschwerden.“
Bachblüten für die Seele: Den „Einführungskurs“ bietet das Frauenbildungszentrum Denk(t)räume an. Ab Donnerstag, 31. Oktober, gibt es acht Termine jeweils von 16 bis 18 Uhr; Näheres bei Denk(t)räume, Tel.: 450 06 44, Mo 15-21 Uhr, Di-Do 15-19 Uhr.
Ein Bachblüten-Seminar veranstaltet die Stadtteilinitiative Hamm (Carl-Petersen-Straße 76) an den Samstagen 9. und 16. November jeweils von 14 bis 18 Uhr; etwa drei Wochen später ist eine Nachbesprechung vorgesehen. Informationen und Anmeldung unter Tel.:251 38 35.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen