: Senat: 400 Millionen für vier Jahre
■ Bremer Senat entscheidet über Geschicke des Staatskonzerns
Sitzung des Bremer Senats, 31. Mai 1988. Finanzsenator Claus Grobecker, mit Werner Lenz einer der politischen Architekten des Verbundes, hat mit Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer dem Senat eine Beschlußvorlage auf den Tisch gelegt. Die Stimmung ist gereizt.
Aus dem vertraulichen Protokoll der Senatssitzung:
„Herr Senator Beckmeyer berichtet.., die Situation der Werften sei jetzt an einem Punkt angelangt, an dem eine Stellungnahme der Treuarbeit vorliege, wonach es keine rechenbare Alternative zu dem Grundkonzept des Verbundes gebe.“
„Herr Senator Kunick ist der Auffassung, daß der Senat vor der Grundsatzfrage stehe, ob er dem vorgeschlagenen Beschluß schlicht zustimmen wolle oder nicht. Er erinnerte daran, daß die früheren Hilfen des Senats zur Weiterführung der Betriebe des Werftenverbundes geführt hätten. Die Frage sei nur, wie sich dieses Beschäftigungswunder vollzogen habe. Dies sei dadurch geschehen, daß der Bremer Vulkan seine Kapitalreserven durch Schiffbauverpflichtungen verbraucht habe. Den nicht gedeckten Teil der Herstellungskosten habe der Bremer Vulkan als stille Beteiligung in Höhe von insgesamt rd. 300 Millionen Mark übernommen.“
„Herr Senator Grobecker erinnert daran, daß der Werftenverbund gegründet worden sei, weil er die einzige Chance sei, Werftarbeitsplätze zu retten. Durch das bremische Engagement ... sei Arbeit für 8.000 Beschäftigte für vier Jahre gekauft worden. Jetzt komme es darauf an, über die reine Addition der Werften im Verbund hinaus auch eine qualitative Veränderung zu erreichen. Als Alternative zwischen den vorgeschlagenen Hilfen und einem totalen Ausfall käme die Schließung des Bremer Vulkan in Vegesack in Betracht. (...) Mit den vorgeschlagenen Beschlüssen bestehe die Chance, daß die Werften die nächsten 4 Jahre überstünden – mehr nicht.“
„Herr Bürgermeister Wedemeier hebt hervor, der Senat habe bei seinen früheren Beschlüssen über Maßnahmen zur Rettung der Werftindustrie nicht gewußt, daß mit dem Kaufen von Arbeit bzw. dem Erwerb von Schiffsbeteiligungen die Liquidität der Werften gefährdet werde.“
„Frau Senatorin Dr. Rüdiger (Senatorin für Gesundheit, d.Red.) betont, wenn Bremen erhebliche öffentliche Mittel in den Werftenverbund gebe, sollte Bremen verlangen, daß die Betriebskrankenkassen in die Allgemeine Ortskrankenkasse überführt würden. Die betreffenden Arbeitnehmer würden hierdurch monatlich um rd. 30 Mark schlechtergestellt.“
„Herr Senator Beckmeyer unterstreicht, der Vorstand des Bremer Vulkan sei aufgefordert worden, den Aufsichtsrat mit jedem neuen Verlustauftrag, den die Werft hereinnehmen wolle, vor Auftragserteilung zu befassen, um zu verhindern, daß die öffentlichen Mittel zur Abdeckung von Verlustaufträgen verbraucht würden.“
„Auf die Frage von Herrn Bürgermeister Wedemeier, was passiere, wenn die in den vorgeschlagenen Beschlüssen unterstellten Prämissen sich nicht verwirklichten, erwidert Herr Senator Beckmeyer, dann käme es bei den Werften zur Katastrophe. Er hoffe, mit den vorgeschlagenen Maßnahmen den Werftenverbund zunächst bis 1992 zu bringen.“
„Herr Senator Franke betont, seit 12 Jahren erlebe er die Diskussion der Werftprobleme im Senat. Immer wieder sei das bremische Engagement so verlaufen, daß sich der Senat am Anfang hoffnungsvoll auf eine dauerhafte Rettungsaktion eingelassen habe und letztlich nichts Dauerhaftes erreicht habe, es seien aber beträchtliche Mittel eingesetzt worden. Er, Franke, durchschaue zwar die Zusammenhänge nicht mehr, befürchte aber, daß der Senat am Ende wieder mit sehr viel Geld eine zeitlich begrenzte Lösung erreichen werde..“
„Zur Verschmelzung der SUAG mit der Seebeck-Werft weist Herr Senatsdirektor Dr. Fuchs darauf hin, daß nicht nur der Bremer Vulkan, sondern auch die Seebeck-Werft eigentlich pleite sei. (...) Bremen könne dem Vulkan auch 300 Millionen DM Liquiditätssicherung zahlen. Dies wäre aber nicht EG-konform. Mit den vorgeschlagenen Beschlüssen erhalte der Vulkan 256,4 Millionen DM, mit welchen dieser Kredite an Banken zurückzahle. Wenn er hierzu nicht in der Lage wäre, wäre er sofort pleite.“
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