: Möller glitscht und grätscht
Keiner hat Angst, aber alle verläßt der Mut beim „Spitzenspiel“ Bayern München gegen Borussia Dortmund, das versöhnlich 0:0 endet ■ Aus München Nina Klöckner
Die Nation lechzt nach immer neuen Höhepunkten, allen voran die Fußball-Nation. Und die Medien sorgen dafür, daß diese ja nicht ausgehen, am geschicktesten durch aufgeblähte Inszenierungen. So hatte der Haussender der Kicker in den vergangenen zehn Tagen weder Mühen noch Kosten gescheut, das hungrige Volk auf den neuesten Super-Mega-Hit vorzubereiten. Selbst Boris Becker ließ sich überreden, seine Nuß-Nougat- Creme für wenige Minuten in die Ecke zu stellen, um von den bevorstehenden Heldentaten der Blau- Roten und Gelb-Schwarzen zu schwärmen.
Nein, gelogen hat niemand. Die Spitze ist oben, das weiß jedes Kind, und somit war das Treffen zwischen Bayern (Zweiter) und Dortmund (Vierter) ein Spitzenspiel. Daß diese Partien meist in einem taktisch brillianten, aber oft torarmen und eher öden Gekicke enden, war von der Sat.1-Datenbank offenbar nicht abrufbar. Egal, 63.000 tummelten sich um das Grün im Münchener Olympiastadion, weitere Millionen vor den heimischen Fernsehern. Am Ende blieb ein 0:0 und die Erkenntnis, daß es schon begeisterndere Unentschieden gegeben hat.
Doch zumindest zeitweise mühten sich die 22 Akteure redlich. Schließlich hatte es sich Bundestrainer Berti Vogts auf der Tribüne bequem gemacht, um zu begutachten, was Fußball-Deutschland neben Häßler im offensiven Mittelfeld noch zu bieten hat. So traten beispielsweise Andy Möller und Mario Basler zum Duell an. Möller wollte dieses offenbar frühzeitig beenden, schlitterte Basler mit Anlauf und gestrecktem Fuß böse ins Gebein und zog nicht nur den Zorn der Zuschauer auf sich. „Das war keine Absicht“, sagte Franz Beckenbauer, „das war eine feige Aktion, typisch für ihn.“
Der Übeltäter trat in der Halbzeit mit gut gespielter Unschuldsmiene vor die Kamera und beteuerte, daß es keine Absicht gewesen sei: „Wenn Mario Schmerzen hat, tut es mir leid.“ Nach dem Kick wollte er dazu nichts mehr sagen, dafür um so mehr zur Leistung seiner Mannschaft und zu seiner eigenen. Er sei super drauf gewesen, gab er zu Protokoll, nur am Ende hätten ihn die Kräfte verlassen, weil der Boden so glitschig und der Ball so schnell gewesen sei. Außerdem „sind wir in der Bundesliga voll im Soll und in der Champions League besser als jede andere Mannschaft“. Trainer Ottmar Hitzfeld spuckte leisere Töne aus, freute sich über den Punkt und hofft, „daß wir im nächsten Spiel besser sind“.
Die besseren Chancen hatten an jenem Abend jedenfalls die Bayern, was vor allem dem Dortmunder Martin Kree zu verdanken war. Der wollte seinem Gegenspieler Jürgen Klinsmann wohl mit aller Macht weiter aus der Krise helfen. Letzterer verschmähte das Geschenk, schoß erst über (49.), köpfte später (68.) neben das Gehäuse und grämte sich gewaltig: „Eine von den Chancen muß einfach rein. Das ärgert und nervt natürlich.“ Die restlichen Möglichkeiten von Klinsmann, Hamann und Witeczek strandeten in den Armen von Borussen-Torwart Stefan Klos, was Thomas Strunz zu der Annahme trieb, daß „der Torwart heute acht Arme hatte“.
Oliver Kahn mußte tatenlos zusehen, wie sich Klos in „Weltklasseform“ (Hitzfeld) spielte, für die Reinhaltung des Bayern-Tors hätte an diesem Abend zumindest in der zweiten Hälfte auch ein Arm genügt. Ob man irgendwelche Schlüsse daraus ziehen könne, daß die Spitzenbegegnung torlos geendet hat? „Ja, auf die guten Abwehrreihen“, sagte Lothar Matthäus mit schelmischen Grinsen. Sein Vorgesetzter Giovanni Trapattoni sieht das anders: „Beide Mannschaften haben großen Stolz“, sagt er und meint wohl, daß keiner den Mut hatte, eine Entscheidung zu erzwingen. Wie auch, wenn selbst der Trainer zugibt, daß er „vor dem Spiel keine Angst gehabt“ hat.
Borussia Dortmund: Klos - Feiersinger (30. Tretschok) - Kohler, Kree - Reuter, Ricken (81. Kirovski), Lambert, Möller, Zorc, Heinrich - Chapuisat (78. Herrlich)
Zuschauer: 63.000
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