Turbulenzen um Nebenkläger im Eid-Prozeß

■ Die libanesische Familie El-Omari widersetzt sich im Lübecker Brandprozeß der Verteidigungsstrategie für Safwan Eid. Offener Brief von Antirassistischer Initative

Lübeck (taz) – Auch gestern, am 11. Verhandlungstag im Lübecker Prozeß um die Brandkatastrophe im Flüchtlingsheim an der Hafenstraße, konnte nicht erhellt werden, wo das Feuer in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar nun ausbrach. Rüdiger S., Mitfahrer in einem VW-Bus des Bundesgrenzschutzes und damit als erster am Unglücksort anwesend, erinnerte sich an Flammen aus der ersten Etage. Die drei Grevesmühlener Männer, die sich während der Nacht unstrittig im weiteren Umfeld des Brandhauses aufhielten, sah er dort allerdings nicht.

Er und sein Kollege hätten Hilfe leisten müssen für jene Menschen, „die da vorm Haus lagen“, „scheinbar Fenstersprünge“. Darüber hinaus besann er sich auf ein Geräusch, das er als Bersten wahrnahm – Resultat womöglich des Flammendrucks, der die Fensterscheiben im ersten Stock platzen ließ. Dies könnte als Hinweis gelten, was Mahwan Eid, Vater des Angeklagten Safwan Eid, als Detonation einer „Bombe“ empfunden haben könnte. Insoweit geht der Prozeß seinen ordentlichen Gang – alle Beteiligten gehen insgeheim davon aus, daß er bis ins kommende Jahr andauern wird.

Im Hintergrund des Prozeßgeschehens jedoch rumort es kräftig. Denn der Verteidigung ist es bislang nicht gelungen, ihren Mandanten wesentlich zu entlasten. Der Frust macht sich nun fest am Verhalten der Familie El-Omari, deren Mitglieder mit etlichen anderen ehemaligen Hausbewohnern als Nebenkläger auftreten. Gestern wurde eine „gemeinsame Erklärung der Überlebenden“ veröffentlicht, in der bündig erklärt wird: „Safwan ist nicht der Täter.“ Als einzige Hausbewohner haben bisher nicht unterschrieben: die El- Omaris. Zudem lassen sie sich weiterhin vom Heickendorfer Anwalt Wolfgang Clausen vertreten und nicht von einem Advokaten aus der Hamburger Szene der linken Rechtsanwälte. Insofern agieren sie mit der Verteidigung Eids nicht im Gleichklang: Clausen beispielsweise formulierte nach Absprache mit den El-Omaris den Befangenheitsantrag gegen den von der Verteidigung favorisierten Brandgutachter Ernst Achilles. Der wurde zwar vom Richterkollegium abgelehnt, doch signalisierte das Begehren der El-Omaris, daß die libanesische Familie sich keinesfalls für die gleiche politische Prozeßstrategie einspannen lassen will, wie das Gros ihrer früheren Nachbarn in der Hafenstraße.

Nun haben sie einen als „Offener Brief an die Familie El-Omari“ gekennzeichneten Schrieb erhalten, in denen ihnen angeraten wird, ihren Anwalt von seinem Mandat zu entbinden. Er behindere „durch seine Anträge und durch seine Befragung der Zeugen die Aufdeckung der Wahrheit“, zudem suche er „nach belastenden Anhaltspunkten gegen Safwan Eid“. Dazu ist Clausen allerdings nach der Strafprozeßordnung in jeder Hinsicht angehalten; darüber hinaus war bislang nichts von einer einseitigen Wahrnehmung des Anwalts feststellbar. Dennoch glauben die Verfasser des Briefs, Clausen verstelle „den Weg zu den wirklichen Tätern“. Der Brief schließt mit einer freundlich-moralischen Erpressung: „Bitte lassen Sie sich nicht von den übrigen Flüchtlingen abspalten.“ Unterzeichnet ist das Schreiben vom „Antirassistischen Telefon“ in Hamburg, einer Institution, die eng mit dem Anwaltsbüro der Verteidigung Safwan Eids zusammenwirkt.

Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller sagte gestern seine Teilnahme an einer Podiumsdiskussion in Frankfurt ab, zu der er – nach eigenem Bekunden – vom dortigen Club Voltaire eingeladen worden war, um über die Gefahren der Ausländerfeindlichkeit zu sprechen. Erst später habe er erkannt, daß er zusammen mit Eid und seinen Verteidigerinnen auf dem Podium sitzen sollte, um Gericht über den Brand und sein gerichtliches Verfahren zu halten. „Es kann nicht Aufgabe des Bürgermeisters sein, sich in ein laufendes Verfahren einzumischen“, hieß es dazu gestern aus Bouteillers Büro. Jan Feddersen