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Immer neue Todesopfer bei Welle islamistischer Attentate in Algerien

■ Islamistische Kommandos antworten mit Anschlägen auf das für Ende November geplante Verfassungsreferendum

Madrid (taz) – Ausgerechnet da, wo Algier am sichersten scheint, schlug am Montag ein islamistisches Kommando zu. Nur wenige Meter vom Regierungssitz und dem Verteidigungsministerium entfernt geriet der Bürgermeister der Hauptstadt, Ali Boucetta, mit seinem Dienstwagen in einen Hinterhalt. Die Fundamentalisten beschossen das Fahrzeug mit Schnellfeuerwaffen und töteten dabei Boucetta. Bei einem anschließenden mehrstündigen Schußwechsel zwischen Polizei und Militär auf der einen Seite und den in einer Villa verschanzten Attentätern auf der anderen Seite kamen mindestens 13 Personen ums Leben. Die zuerst von offizieller Seite verbreite Nachricht, Ali Boucetta sei auf dem Balkon seiner Wohnung von einem Querschläger getötet worden, stellte sich als falsch heraus.

Ali Boucetta war den Islamisten schon lange ein Dorn im Auge. Er war Bürgermeister von Gnaden der Regierung, nachdem das demokratisch gewählte Stadtoberhaupt Kemal Guemazi 1991 zusammen mit 500 weiteren Bürgermeistern abgesetzt worden war – sie alle gehörten der Islamischen Heilsarmee (FIS) an, die nach ihrem spektakulären Sieg beim ersten Wahlgang zu den Parlamentswahlen 1991 verboten wurde. Guemazi wurde nach seiner Amtsenthebung, wie viele andere FIS-Anhänger, vom algerischen Militär in ein Internierungslager in der Sahara verschleppt.

Der Anschlag auf Boucetta ist der bisherige Höhepunkt einer Attentatswelle seit der „Nationalen Versöhnungskonferenz“ vor einem Monat. Unter Ausschluß der FIS und auch legaler Oppositionsparteien wie der Front Sozialistischer Kräfte (FFS) war eine Verfassungsreform verabschiedet worden, die unter anderem ein dauerhaftes Verbot aller religiösen Parteien vorsieht.

Vor einer Woche setzte Präsident Liamine Zéroual für den 28. November eine Volksabstimmung über das Reformpaket an. Die radikalen Islamisten, allen voran die Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA), reagierten mit einer Serie blutiger Anschläge. Seit der Konferenz kamen über 150 Menschen ums Leben. Ziele waren dabei immer wieder zivile Einrichtungen – so in Boufarik im Süden von Algier, wo bei einem Bombenanschlag auf einen Wochenmarkt 43 Menschen getötet wurden. Vor zwei Wochen stoppte ein islamistisches Kommando in der Nähe der Erdgasförderstelle Hassi R'Mel einen Reisebus mit Arbeitern und mehrere Autos – 34 Reisende wurden geköpft. Und mit einem Granatenanschlag auf eine Schule südlich der Hauptstadt wollen die GIA die Abschaffung des Französischunterrichts, die Einführung des Schleierzwangs und getrenntgeschlechtlichen Unterricht erzwingen.

Die blutige Anschlagswelle der letzten Wochen geht selbst einem Teil der Fundamentalisten zu weit. Am Freitag letzter Woche verurteilte die bewaffnete Gruppe Harakat al-Bakoun al-Ahd „die blindwütigen Attentate“. Die Gruppe, eine Abspaltung der GIA, macht verschiedene, von Afghanistan-Veteranen gebildete Kommandos für die Morde an den Zivilisten verantwortlich. Gleichzeitig meldete sich die FIS-Auslandsleitung mit einem Kommuniqué zu Wort, in dem sie „energisch diese verbrecherischen Aktionen verurteilt“ und direkte Verhandlungen zwischen FIS und Regierung fordert. Reiner Wandler

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