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Mit Stilwillen zu Stilbrüchen

■ Die Kunstfigur Katerine spiegelt leichtfüßige französische Chansons und Innerlichkeiten in Superpop und Easy Listening

Katerine ist keinesfalls eine Chanteuse, sondern ein gutaussehender junger Mann, der französisch singt. Dieses androgyne Spiel mit den Geschlechterrollen, wie es David Bowie in die Popsprache einführte, reizt Philippe Katerine auch in seiner Stimmlage bis zum Anschlag aus. Es sind seine zart besungenen Innerlichkeiten, die sich gegen die Mär vom Mann wenden, der nicht in der Lage sei, Gefühle zu äußern. Seine Titel heißen „Mon Coeur Balance“ und handeln vom schwierigen Gleichgewicht in Herzensdingen, von einem Spaziergang im englischen Garten und seiner unmöglichen Liebe zu Kopenhagen, wohin es Philippe Katerine verschlagen hat. Doch was heißen biographische Bezüge schon bei jemand, dessen Kunstfigur, die mit ihrem absoluten Stilwillen an „Cappuccino“ Paul Weller erinnert, sich über alles gelegt hat?

Im modischen Bezugsfeld von Easy Listening betreibt Katerine Erinnerungsarbeit, die eine direkte Linie zu den spärlich instrumentierten Chansons der 60er Jahre zieht, wie man sie aus den sonntäglichen Wohnzimmern progressiver Eltern kennt. Doch das französelnde „Savoir Vivre“ wird einem mit solcher Wucht aufs Auge gedrückt, daß es blau wird. So hält Katerine eine eigentümliche Balance zwischen einem trefflichen Konzept von Zufriedenheit und bodenloser Ironie. Von Gitarre, Kontrabaß und Vibraphon unterstützt, steuert er direkt auf den Superpop von Mike Flowers zu, der etwa „Light My Fire“ mit dekadenter Instrumentierung in andere Zusammenhänge stellte. Und wie bei Mike Flowers singen auch bei Katerine die Mädchen „Shalala“ und pfeifen, was die Lippen hergeben. Volker Marquardt

mit Space Kelly: Sa, 26. Oktober, 21 Uhr, MarX

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