piwik no script img

Wolfs Version: Seine Frau Silke hat die Kinder getötet

■ Mutter des Angeklagten sagt vor Gericht aus, was ihr Sohn ihr über den Tathergang erzählt hat / Gutachter zweifeln

Fast schien es, als könnte selbst die Aussage seiner Mutter Carsten Wolf nicht aus der Ruhe bringen. Den Blick schräg nach unten auf den Holzparkettfußoden des Gerichtssaals geheftet, lauschte Wolf zunächst scheinbar ungerührt ihrer Aussage. Mit versteinerter Miene hatte Wolf, dem vorgeworfen wird, im November des vergangenen Jahres seine Frau Silke und seine beiden Kinder Jana (drei Monate) und Fabian (4) getötet zu haben, bislang seinen Prozeß verfolgt.

Und auch während der Aussage seiner Mutter, die zunächst von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte, hält Wolf den Kopf gesenkt. Nicht ein einziges Mal blickt er während der mehrstündigen Vernehmung zu der zierlichen Frau hinüber. „Silke war ein lieber, aufgeschlossener, hilfsbereiter Mensch in jeder Beziehung“, schluchzt sie ins Mikrophon. Das Gesicht von Carsten Wolf verrät keine Gefühlsregung. Der Vater von Silke Wolf habe ihr am Telefon gesagt, daß die Tote im Zevener Wald seine Tochter sei, erinnert sich Wolfs Mutter. Kurz darauf sieht sie ihren Sohn. „Wir haben uns in den Arm genommen und ganz fürchterlich geweint. Wir haben uns in den Arm genommen wie noch nie“, weint die Frau. Ihre Stimme bricht. Plötzlich rinnen Tränen über das Gesicht von Carsten Wolf. Sein Anwalt reicht ihm eine Packung Tempo. Wolf schneuzt ins Taschentuch. Seine Schultern zittern. Sekunden später ist sein Blick wieder auf den Holzfußboden gerichtet. Auch seine Mutter hat sich wieder gefangen. „Stückweise“ habe ihr Sohn sich ihr offenbart. Seine Version: Er ist in der Tatnacht nicht zu Hause gewesen. Als er frühmorgens heimkommt, sitzt seine Frau weinend auf dem Bett. „Ich habe das nicht gewollt. Aber die haben keine Ruhe gegeben“, soll Silke Wolf gesagt haben. Sie will in den Arm genommen werden. Wolf stößt sie weg. Seine Frau schlägt mit dem Kopf gegen die Bettkante oder den Nachttisch. Sie wird so schwer verletzt, daß sie stirbt.

„Alles, was ich noch tun kann, ist, daß ich die Schuld auf mich nehme. Weißt Du denn nicht, daß Silke getrunken hat“, soll Wolf seine Mutter gefragt haben. Mit Rücksicht auf die Familie seiner Frau wolle er auch weiter schweigen: „Wenn ich rede, daß würde Harald nicht verkraften“, soll Wolf über seinen Schwiegervater gesagt haben. „Ja, ich habe meinem Sohn geglaubt“, sagt Wolfs Mutter vor Gericht. Nur „das mit Frankreich“ wäre schon „irgendwie komisch“ gewesen. Um Carsten Wolfs Neffen, der von der Unschuld seines Onkels überzeugt ist, über die Tragödie hinwegzuhelfen, sei die Familie in den Eurodisney-Park nach Paris gefahren. Zuvor habe Carsten Wolf seiner Mutter gesagt, daß jemand der Familie in Paris eine Führung anbieten würde. „Nehmt diese Führung bitte an, daß ist dann das, was ihr über mich erfahren werdet.“ Die Kontaktmänner würden der Familie „Unterlagen und eidesstattliche Erklärungen“ überbringen, die Wolfs Unschuld belegen würden, soll er seiner Mutter in Aussicht gestellt haben. „Aber es ist nichts geschehen“, gibt Wolfs Mutter zu Protokoll. Als sie ihren Sohn kurz nach ihrer Rückkehr in der Haft besucht, hat dieser eine Entschuldigung parat. „Er hat gesagt, am diesem Tag wäre irgendein japanischer Feiertag gewesen. Deshalb konnten die Leute nicht kommen.“

Carsten Wolfs Affinität zu Japan ist während des Prozesses schon mehrfach zur Sprache gekommen. Wolf hatte gegenüber einer Prostituierten behauptet, er sei bei seinen Großeltern in Japan aufgewachsen. Einem Arbeitskollegen, der ebenfalls gestern vernommen wurde, hatte Wolf erzählt, seine Eltern hätten Schlittenhunde, die er jeden Morgen trainieren würde. Außerdem sei es in seiner Familie Tradition, japanische Kampfsportarten zu betreiben. „Das stimmt alles nicht“, sagte die Mutter gestern vor Gericht. Auch die Version, Silke Wolf habe ihre Kinder getötet und sei anschließend bei einem Unfall ums Leben gekommen, wird von Gutachtern bezweifelt. Zwei Gerichtsmediziner hatten schon vor Wochen erklärt, die Befunde an der Leiche Silke Wolfs würden einen solchen Tathergang ausschließen. Die Frau sei erstickt worden. kes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen