: CDU prüft parteiinternen „Radikalenerlaß“
■ Aufnahme von Extremisten soll ausgeschlossen werden. Grüne fordern Abberufung des Milli-Görüs-Anhängers aus dem Kreuzberger Ausländerbeirat
Mit dem Austritt von Erdan Taskiran aus der CDU ist die Affäre um das frühere Vorstandsmitglied der islamisch-extremistischen Organisation Milli Görüs noch nicht beendet. Während die Junge Union bereits Mitte Oktober einen Unvereinbarkeitsbeschluß mit der islamischen Gruppierung beschlossen hatte, prüft nun auch der CDU-Landesverband eine solche Regelung. Sie soll sich jedoch auf alle extremistischen Gruppierungen erstrecken.
Da Taskiran für die CDU auch im Kreuzberger Ausländerbeirat sitzt und Bürgerdeputierter im BVV-Ausschuß für Personal und Verwaltung ist, fordern die Kreuzberger Bündnisgrünen, daß die CDU ihn aus diesen Ämtern zurückzieht. Doch bislang hat die CDU nicht reagiert.
Der geplante Unvereinbarkeitsbeschluß des CDU-Landesverbandes ziele nicht allein auf Milli Görüs ab, sondern auch auf Scientology und ähnliche Gruppierungen, erklärte gestern der Sprecher des CDU-Landesverbandes, Matthias Wambach. Bereits jetzt müssen Mitglieder im Parteiaufnahmeantrag erklären, daß sie keiner anderen politischen Partei oder Organisation angehören, die den Zielen der CDU widerspricht. Wie Wambach erläuterte, gehen die Überlegungen dahin, in einem Anlageblatt eventuell bestimmte Organisationen namentlich aufzuführen. Dies müsse aber noch mit dem CDU-Bundesverband abgestimmt werden.
Die Junge Union hat bereits Mitte Oktober bei ihrer Landeskonferenz die Unvereinbarkeit mit religiös-extremistischen Organisationen beschlossen. „Das Gedankengut und die Weltanschauung solcher Organisationen verträgt sich in keinem Punkt mit den Grundsätzen der Union und bewegt sich selten im Einklang mit unserem Grundgesetz“, heißt es zur Begründung.
Der Beschluß zielt vor allem auf Milli Görüs ab, die vom Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft wird. Als Begründung führt der Verfassungsschutz allerdings nur an, daß Milli Görüs die Errichtung einer islamischen Weltordnung anstrebe, ohne nähere Angaben zu den Aktivitäten der Gruppierung in Deutschland zu machen. Immigranten kritisieren vor allem, daß Milli Görüs die Integration konterkariere, indem sie auf sich zurückgezogene, islamische Gemeinden bilden.
Der bündnisgrüne Abgeordnete Riza Baran bezeichnete die CDU-Pläne als „Radikalenerlaß“ und warnte vor den Folgen einer Ausgrenzungspolitik. Damit verschärfe man diese Rückzugstendenzen. Es entstehe ein Klima des Mißtrauens, wenn Ausländer bei der Aufnahme in Parteien eine Sonderbehandlung erführen. „Man kann nicht jeden verdächtigen“, so Baran. Er befürchtet, daß Immigranten eine türkische Wählergemeinschaft bilden könnten, wenn sie sich von deutschen Parteien ausgegrenzt fühlten. „Man muß den Dialog auch mit Anhängern der Milli Görüs führen“, forderte Baran, der dies in seinem Wahlkreis in Kreuzberg praktiziert.
Dem Vernehmen nach ist der 26jährige Erdan Taskiran nach wie vor bei Milli Görüs aktiv, zählt dort aber zum moderaten Flügel. Um seine weitere Mitgliedschaft im Ausländerbeirat streiten sich jetzt Kreuzberger Grüne und die CDU, die bislang keine Anstalten macht, Taskiran zurückzuziehen. „Von mir aus muß er nicht raus“, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Bölter gegenüber der taz. „Wir können ihn auch nicht zwingen, sein Mandat zurückzugeben.“
Bölter erklärte, ihm liege auch noch kein Schreiben des für den Ausländerbeirat zuständigen Bezirksbürgermeisters Franz Schulz (Grüne) vor. Dies wolle er zunächst abwarten. Wenn es zu keiner Einigung kommt, könnte Taskiran nur von der BVV als Mitglied des Ausländerbeirats abgewählt werden. Dorothee Winden
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