Village Voice: Easy Billy Surf Sound
■ Lustige Vagabunden: Die Space Hobos mit neuer Platte
September 94, Juni 95 lesen wir auf dem Cover von „Hobocop“, der neuen Space Hobos – ganz schön lange Zeit vom Datum der Produktion bis zur Veröffentlichung. Aber für die Space Hobos gehört das mittlerweile zum Image. Seit über einem Jahrzehnt schwirren sie schon durch die Stadt, gehören zum Inventar, ohne daß sie auf einen reichhaltigen Output verweisen können oder ihnen die Scheckbuchwedler der Majorfirmen (oder wenigstens hysterische Fans) bislang einen Rosenkranz geflochten hätten.
Was eigentlich ein Frevel ist, bedenkt man, daß letztes Jahr „Pulp Fiction“ weltweit breakte sowie Easy Listening eine Weile aus jedem flotten Club tönte: Ohne Umschweife und vom Fleck weg hätte man die Space Hobos vor diesen Karren spannen können. Soweit das mit dieser Art von Musik möglich ist, waren sie mit ihrem Easy-Billy- Surf-Sound ihrer Zeit weit voraus.
Doch wo die Propheten im eigenen Land schon meist nichts gelten, Easy Listening auch nicht mehr die heißeste Scheiße seit Einführung des Hochtoupets ist, können die Spaßhobos einfach so weitermachen: ohne großen Trubel, aber auch ohne daß man ihnen ein Surfen auf trendy Trittbrettern vorwerfen könnte, ihre All-time-Favorites aus den Schränken kramen und verhackstücken. Und so witzeln sich Gitarrist Space, Bassmann Mr. Gun und Schlagzeuger Steven Webster ohne Scheu in völlig andere Welten und Sphären: Auf „Have Pocket, Will Travel“, dem Album, das vor zwei Jahren erschien – zumindest der Veröffentlichungsrhythmus ist dichter geworden, Hut ab! – verirrten sich die drei auf den Planeten Schwurbs und bescherten dessen Bewohnern einige unvergeßliche Auftritte. In diesem Jahr nun scheint man nicht mehr so willkommen zu sein: Schwurbs sieht aus wie eine Mondlandschaft kurz nach der großen Sause, und vor den leicht deppert und zerknautscht aussehenden Hobos steht ein bewehrtes Tank Girl, um den Jungs zu zeigen, wohin die Reise geht: Schuß und wech, „Hobocop“ wird mit dem „Trompetenecho“ eröffnet.
Danach kommt gleich „Ricky“, ein Song mit ein paar (ungewohnt) wegweisenden Lyrics. Unverschlüsselt enthalten sie die gesamte Philosophie der Band – macht nach, kupfert ab, seid unverdrossen! –, ihre Historie und auch eine kleine Gebrauchsanweisung: „Liebe Freunde, vor 15 Jahren noch hätte ich was dafür gegeben, einen Gitarrenkurs als Vorlage für meine ersten Griffübungen zu haben, schon damals gab es ein reichliches Angebot auf diesem Gebiet, nur war das alles zu kompliziert. Dieses Lied soll denen, die sich mit der Gitarre anfreunden, eine erste Hilfe sein.“
„Ricky“ fällt insgesamt ziemlich raus aus dem Album – er enthält in der Tat einige leuchtende, schön in die Weite geschraubte Gitarrentöne. Ansonsten bedienen sich die Hobos halt bei allen – von Lee Hazelwood bis zu den Soundtracks von Derrick und der Kommissar. Sie selbst haben gerade mal ein Drittel der 22 Liedchen komponiert, was nicht weiter schlimm ist. Fünf, sechs, acht vorn: Die Space Hobos lassen nichts anbrennen. Ein Hoch für sie auf dem Gelben Wagen. Gerrit Bartels
Space Hobos: „Hobocop“ (One Million Records/Efa)
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