: Chemie will Lohnfortzahlung schnell lösen
■ Gewerkschaft und Arbeitgeber wollen Tarifverhandlungen vorziehen. Bayerische Metaller hingegen kündigen Manteltarifvertrag. Braubranche bricht aus
Wiesbaden (AP/dpa) – Einen Tag nach den Massenprotesten in der Metallindustrie haben die Tarifparteien der Chemie vereinbart, den Streit um die Lohnfortzahlung für Kranke mit einer vorgezogenen Tarifrunde zu lösen. Obwohl die Entgelttarifverträge erst Ende 1997 auslaufen, sollen bereits am 19. November die zentralen Verhandlungen beginnen. Dies teilten die IG Chemie und der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) nach einem Spitzengespräch gestern in Wiesbaden mit.
Sowohl der IG-Chemie-Vorsitzende Hubertus Schmoldt als auch BAVC-Präsident Ludwig Georg Braun wollten keine präzisen Aussagen darüber machen, wie das Thema Lohnfortzahlung in den Unternehmen konkret gehandhabt wird. Schmoldt sagte lediglich, er gehe davon aus, daß die Unternehmen „ihre bisherige Praxis fortsetzen“. Bislang haben die Branchenriesen Hoechst, BASF und Bayer weiterhin 100 Prozent Entgelt bei Krankheit gezahlt. Im Gegensatz zur Metallindustrie wird in dem Manteltarifvertrag der Chemie lediglich auf die gesetzliche Regelung verwiesen. Mit der Senkung der Lohnfortzahlung von 100 auf 80 Prozent im Zusammenhang mit den Bonner Spargesetzen haben sich damit unmittelbar auch die Tarifbestimmungen für die rund 600.000 Chemiebeschäftigten verschlechtert. Die IG Chemie fordert wie die anderen DGB-Gremien die Beibehaltung der 100-Prozent-Regelung. Die Aufnahme vorgezogener zentraler Tarifverhandlungen ist allerdings noch von der Zustimmung der zuständigen Gremien beider Tarifparteien abhängig.
Unterdessen hat die bayerische IG Metall im Streit um die Lohnfortzahlung bei Krankheit als bundesweit erster Bezirk die Kündigung der Manteltarifverträge zum 31. Januar 1997 beschlossen, um notfalls für die Lohnfortzahlung streiken zu können. Die Friedenspflicht endet damit am 28. Februar in Bayern. Die Entscheidung der Tarifkommission fiel mit großer Mehrheit bei nur zwei Gegenstimmen. Der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (VBM) wertete die Kündigung als klaren Beweis dafür, daß auch die IG Metall eine Kürzung der Lohnfortzahlung auf Grundlage des geltenden Tarifvertrags für zulässig halte. Die Kündigung sei ein deutliches Signal, daß die Gewerkschaft die Umsetzung des neuen Gesetzes mit allen Mitteln verhindern wolle und damit eine politische Auseinandersetzung führe. Die Entscheidung der bayerischen IG Metall soll am 31. Oktober vom IG-Bundesvorstand abgesegnet werden.
In der Getränkebranche kündigt sich eine härtere Gangart an. Der größte deutsche Konzern, die Dortmunder Brau und Brunnen, will ab Anfang November nur noch 80 Prozent des Lohnes im Krankheitsfall zahlen.
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