Neues Spiel, neues Loch

■ Waigel bastelt am Haushalt, jetzt droht noch die FDP

Und, blicken Sie noch durch? Waigel plant jetzt pauschale Einsparungen in allen Ministerien, um die Milliardenlöcher im Haushalt 1997 zu stopfen. Nicht daß uns das irgendwie überrascht, aber der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß er in der vorigen Woche genau das ausgeschlossen hat. Oder doch nicht? Worum ging's in der letzten Woche noch mal? Richtig, die FDP will beim Erziehungsgeld sparen. Die Woche davor? Solidaritätszuschlag bleibt, Mineralölsteuern werden nicht erhöht. Und davor? Besteuerung von Renten und Arbeitslosengeld. Und davor? Vergessen? Macht nichts. Morgen sieht die Welt in Bonn schon wieder ganz anders aus.

Theo Waigel betreibt das, was er gern Finanzpolitik nennt, derzeit so, wie sich das Lieschen Müller vorstellt: Er schätzt mal eben Einnahmen und Ausgaben des Staates („Es geht um Milliarden, oder?“), macht einen Haushaltsentwurf und betet zum lieben Herrgott, daß dieser die Konjunktur ankurbelt und Arbeitsplätze vom Himmel schmeißt. Aber es gibt nicht nur keinen lieben Gott, sondern er hört auch schwer. Also bucht Waigel alles, was in seinen großzügigen Entwurf Milliardenlöcher reißt, unter „außergewöhnliche und unvorhersehbare Ausgaben“. Die Steuereingänge zu hoch veranschlagt? Außergewöhnlich! Daß die SPD bei der Erhöhung des Kindergeldes ab Januar hart bleiben würde? Unvorhersehbar! Daß die Bundesanstalt für Arbeit 1997 mehrere Milliarden Mark benötigt, obwohl der Finanzminister ihr genau null Mark zugesteht? Außergewöhnlich und unvorhersehbar! Also wird jede Woche ein neuer Haushalt 1997 präsentiert. Wenn die Steuerschätzung Anfang November ein Minus von drei bis vier Milliarden Mark erbringt? Kein Problem, neues Spiel, neues Glück. Auf jeden Fall unvorhersehbar. Vorhersehbar aber ist, daß demnächst Lottogewinne zur Haushaltssanierung eingeplant werden. Und Lottofee Karin Tietze-Ludwig wird Staatssekretärin in Bonn.

Kohl erzählt oft, daß Theo Waigel einer der angesehensten Finanzminister der Welt ist. Wer auch immer da so begeistert von ihm ist – nehmt ihn, ihr könnt ihn haben. Und die Umfaller von der FDP gleich mit. Die brauchen einen, dem sie drohen können. Und bei dem sie sich trauen. Jens König

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