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Maßnahme zur Schalterhygiene

■ 3.500 Bremer bekommen kein Konto, kritisiert die Schuldnerberatung

Willi S., 53, ist Frührentner und seit zwölf Jahren Sparkassen-Kunde. Seine monatliche Rente von knapp über 1.200 Mark wird ihm aufs Sparbuch überwiesen; ein Girokonto hat er nicht. Bei der Sparkasse wurde ihm wiederholt mitgeteilt, sein Einkommen sei zu gering.

Ein Fall aus der Beratungspraxis der Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger (AGAB). 3.500 „Girokontolose“ gibt es in Bremen, hat der Förderverein Schuldenberatung (FSB) in Bremen errechnet; der Verein fordert deshalb einen „gesetzlich normierten Kontrahierungszwang seitens der Kreditinstitute“. Im Klartext: Die Banken und Sparkassen sollen, ähnlich wie bei der KFZ-Haftpflicht, verpflichtet werden, jedem ein Girokonto bereitzustellen, der eins haben will. Natürlich nur als Guthabenkonto ohne Dispo-Kreditlinie.

Dies steht auch in einer Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), eines Gremiums aus Mitgliedern von Bundesfinanzministerium und Banken: „Alle Kreditinstitute (...) halten für jede/n Bürger/in in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto bereit.“ Und: „Eintragungen bei der Schufa, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Kunden hindeuten, sind allein kein Grund, die Führung eines Girokontos zu verweigern.“

Doch die ZKA-Empfehlung wird von der Sparkasse nicht eingehalten, stellt Ulf Groth, Referent im FSB, fest und zitiert aus einer Sparkassen-Dienstanweisung, wonach u.a. ein Schufa-Suchauftrag ein Grund ist, die Eröffnung eines Girokontos zu verweigern. Die Sparkassen tun sich am schwersten, wenn es darum geht, finanzschwachen MitbürgerInnen die Eröffnung eines Girokontos zu ermöglichen, hat die FSB ermittelt: Eine klare „Maßnahme zur Schalterhygiene“, so FSB-Referent Groth. Bei den Banken schneide die Bremer Landesbank am besten ab.

Girokonten sind „überlebenswichtig“, weiß der FSB, nicht zuletzt deshalb, weil die Alternativen teuer und umständlich sind. So kosten Buchungen, bei denen noch mit Bargeld hantiert wird, acht bis zehn Mark pro Buchung. Wer etwa zweimal im Monat sein Arbeitslosengeld in bar abholt, zahlt 16 Mark – und hat dann noch keine einzige Überweisung für Miete, Strom etc. getätigt.

Doch auch die öffentliche Hand zahlt kräftig drauf: 500.000 Mark kostet es die Bremer Sozialbehörde pro Jahr, die Sozialhilfe per Barauszahlung an den Mann und die Frau zu bringen. (vgl. Sozialhilfe per Chip-Karte, taz 17.10.) Wenigstens ein schlechtes Gewissen hat die Sparkasse dabei: Wenn ein Schuldenberater vom FSB zusammen mit dem abgelehnten Girokonto-Bewerber bei der Sparkasse auftaucht und auf die ZKA-Empfehlung verweist, weiß Ulf Groth aus Erfahrung, gibt die Sparkasse in der Regel nach. Mu

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