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Liebe in monegassischer Nacht

Sichtlich gerührt erfährt Borussia Mönchengladbachs Team nach 1:0 und UEFA-Pokal-Aus beim AS Monaco die Zärtlichkeiten seiner Anhänger  ■ Aus Monte Carlo Holger Jenrich

Es war schon stockfinstere Nacht geworden. Friede lag über dem Fürstentum. Die Straßen waren geputzt für die Rentnerkarawanen des nächsten Tages, und Rainier hatte sich rechtschaffen müde von der Geldzählerei wahrscheinlich längst in sein Himmelbett verkrochen. Da huschten sechs Gestalten durch die Avenue de la Quarantaine. Vorsichtig sondierten sie die Auslagen in den Fenstern des verrammelten Juwelierladens, verstohlen suchten sie im Aushang des Gastronomiebetriebs „Chez Edgar“ nach einem Magenberuhiger.

Durch die Schrift auf den grünen Röcken waren diese Gestalten zu identifizieren als „Männergesangverein Aabachwölfe 1994“ aus dem westfälischen Reelsen bei Paderborn. Tatsächlich! Bald schon baritonte es in die fürstliche Stille: „Wir sind stolz auf unser Team – halleluja!“

Stunden zuvor hatte der Chor noch aus 900 Sängern bestanden. Aus Hagen und Heiligenhaus, aus Twistringen und Polch waren sie angereist, um im Stade Louis II zu Monaco ein Hohelied auf Borussia Mönchengladbach anzustimmen. Sie stimmten es vor dem Casino an. Sie stimmten es im japanischen Garten an der Avenue Princesse Grace an. Sie stimmten es vor den malerischen Kanonenkugelbergen am prinzlichen Palast an.

Welch sangesfreudiger Anhang ihnen am Abend den Rücken stärken sollte, das hatte am Vormittag allein der Gladbacher Manager Rolf Rüssmann mitbekommen. Während der auf der Avenue d'Ostende nach einem Geldautomaten Ausschau hielt und einige Kostproben erlauschte, waren seine Spieler an die Côte d'Azur gefahren. Und einige Vereinsangestellte ins opulente Hotel Loews, wo auf Einladung der Association Sportive Monaco jede Menge Suprême de volaille aux morilles weggehauen werden konnte.

Am Abend, 1:0-Sieg und – nach der 2:4-Hinspielniederlage – daraus resultierendes Ausscheiden aus dem UEFA-Cup waren längst perfekt, sangen die Fans immer noch. Eine Stunde nach Schlußpfiff hallte das „We love Borussia, we do“ so vehement durch die Arena, daß Rüssmann seinen Trainer aus der Pressekonferenz rief: „Wir müssen noch mal raus“, sagte er zu Bernd Krauss, „die Jungs singen immer noch.“

„Wir glauben nicht an Wunder – wir glauben nur an euch“, hielten die Jungs da ihren trikotwerfenden Spielern entgegen. Die Borussen- Delegation war sichtlich gerührt, hätte am liebsten losgeheult oder Konfetti geschmissen, wenn denn schon Karneval gewesen wäre.

Aus dem europäischen Wettbewerb ist man raus, in der Bundesliga steht es nicht gut, doch was soll's? „Und am Samstag sind wir wieder da“, jubelten die liebestollsten Anhänger der Liga, bevor sie den Bus mit Kamps und Krauss und Kastenmaier doch noch passieren ließen. Dann traten sie ganz offenbar glücklich Teil zwei ihrer übernachtungslosen „1.500 Kilometer hin und zurück – 99 Mark“- Tour an. Oder trollten sich, wie das Sixpack der Aabachwölfe, ins letzte offene Restaurant. Natürlich um dort weiter „Wir sind stolz auf unser Team“ zu heulen. Immer wieder stieg der Treueschwur hoch in die monegassische Nacht.

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