: Schmidts Musen
■ Eine Ausstellung in der Staatsbibliothek würdigt die Hamburger Lichtwarkschule
Eine Hamburger Wochenzeitung verunglimpfte die Lichtwark-Schule in Winterhude 1926 als „das rote Mistbeet“. Die Organisatoren der Ausstellung über die Hamburger Reformschule in der Weimarer Republik nahmen diese politische Rempelei für voll und pflanzten einen blühenden Pädagogikgarten im roten Kasten.
Aber nicht nur Böses wurde über die Schule geäußert, die Teil der großen Reformbestrebungen zwischen Wilhelminismus und Drittem Reich war. In hohem Maße prägte sie in der Weimarer Zeit Hamburgs Ruf als die „Stadt der Schulreformen“. „Sie wollte – sehr idealistisch – eine innerlich freie, an musischen und kulturellen Werten sich orientierende Jugend im Sinne Alfred Lichtwarks erziehen“, schreibt der prominenteste Ehemalige Helmut Schmidt über seine Erziehungsanstalt.
Das Kollegium setzte sich relativ homogen aus fortschrittlichen Reformpädagogen zusammen. Sie kamen ohne Strafen aus, verwirklichten die Idee vom fachübergreifenden und projektorientierten Unterricht und etablierten die Koedukation. Nicht mehr die Furcht vorm Pauker, sondern die Partnerschaft innerhalb der Schulgemeinde, die auch die Eltern einschloß, sollte hier der Weisheit Anfang sein. Die Nationalsozialisten lösten die Schule 1937 auf.
Dank des Engagements vieler ehemaliger Schüler kann das Hamburger Schulmuseum jetzt eine beeindruckende Sammlung von Schülerarbeiten und Zeitdokumenten zeigen. Die sehr didaktisch, systematisch aufgebaute Ausstellung ist im Foyer der Staatsbibliothek zu sehen, wo sie vor allem studentisches Publikum erreichen soll. Initiator Reiner Lehberger: „Unser Ziel ist, daß die Konzepte und Erfahrungen dieser Reformschule in die aktuelle Diskussion um die ,innere Schulreform' des Gymnasiums einfließen.“ Nur stellen sich heutigen Reformen ganz andere Probleme in den Weg als 1920. Es bleibt zu hoffen, daß die guten Ideen auch irgendwann umgesetzt werden können und nicht in den Mühlen der Verwaltung zerrieben werden, der alte Ruf stünde Hamburg doch gut.
Die Broschüre zur Ausstellung kann übrigens von Schulen mit Z3-Schein von der Beschaffungsstelle (V643-2) bezogen werden, sofern die Anforderung über das Sachgebiet S 601-2 in der BSJB geleitet wird. Ilka Fröse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen