Durchs Dröhnland: Blumfelds Brüder
■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche
Wem Pearl Jam zu teuer und zu groß geworden sind, der kann zwei Tage zuvor die Club-Ausgabe probieren. The Flys haben sich tapfer von einem Ende der Staaten zum anderen und wieder zurück gespielt und besetzen mit ihrem knorke bollernden Rock genau die Grauzone zwischen College-Anspruch und Stadion-Appeal, die momentan die höchsten Zuwachsraten verspricht, Kuschelballade inklusive.
1. 11., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Weil Diskurspop so ein beklopptes Wort ist, sollte es mindestens einmal pro Woche benutzt werden. Das wäre hiermit erledigt. Und Svevo sind eine Mainzer Band um den Spex- und taz-Schreiber Jörg Heiser, die immer ganz gut leben konnten als die kleinen Brüder von Blumfeld, auch wenn es sie nun schon seit zehn Jahren gibt. Wenn Jochen Distelmeyer Doktorarbeiten schreibt, sind Heisers Texte aber bestenfalls kleine Seminararbeiten. Vor allem auf der neuen Platte „Phon“ wird nicht nach- und rumgedacht, sondern fast schon straight erzählt. So wird in den privaten Gefühlshaushalt eines nun auch nicht mehr ganz so jungen Bundesrepublikaners ein wenig Ordnung gebracht. Trotzdem fallen noch zitierfähige Sätze ab wie „Das Gesetz ist dagegen nur allein und in der Überzahl.“
1. 11., 22.30 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz
Obskure Wege gehen die Noise-Rocker von Neon Dorn. Die Berliner werden in Australien zwar schon mal für Schweizer gehalten, aber haben dort immerhin ihr letztes Tape als CD verlegt bekommen. In den neuesten Aufnahmen forschen sie allerdings fast noch intensiver als früher an der Grenze des Dehn- und Hörbaren zwischen Jesus Lizard und Sonic Youth, ohne je in die Nähe von Low-Fi- Gemütlichkeit zu geraten, so daß sich die Suche nach einer deutschen Firma wohl weiter schwierig gestalten wird.
2. 11., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68
Nachdem fast alle Soundtracks aus den 60ern und 70ern bereits geplündert sind, war es nur eine Frage der Zeit, bis der musikhistorische Blick auf das ×uvre von Gert Wilden fallen mußte. Der Mann hat in den bewußten Jahrzehnten mehr als 50 Filme vertont, allerdings in einem wenig angesehenen Genre. Wilden verschrieb sich mit Haut und Haaren der Erotik-Welle jener Zeit und schrieb die Musik für die „Schulmädchen-Report“-Reihe und viele andere ähnlich gelagerte Filme, wenn er nicht gerade Leiter des Bayerischen Rundfunkorchesters war. Natürlich stehen seine mal beatenden, mal souligen, aber immer swingenden Werke denen seiner ungleich berühmteren Zeitgenossen Peter Thomas („Raumpatrouille Orion“) und Martin Böttcher, der vom jugoslawischen Setting der Karl- May-Streifen ablenken sollte, in nichts nach. War schließlich alles Auftragsarbeit.
2. 11., 21 Uhr, Restaurant im Haus der Kulturen der Welt, John-Forster-Dulles-Allee 10
Fireside sind, wie man es gerne von Schweden so denkt, völlig ungeschlacht. Auf jeden Fall bearbeiten sie ihre Gitarren, daß es kracht. Manchmal kracht es auch nicht so sehr, damit das nächste Krachen noch beeindruckender wird. Der alte Leise-laut-Trick halt. Auf der anderen Seite sind Fireside aber auch erst um die 20 und deshalb einer netten Melodie nicht abgeneigt. Und diese Kombination ist zwar nicht gerade neu, aber doch noch gefährlich genug, um vier Freunden aus Luelå eine große Zukunft zu prophezeien.
4. 11., 22 Uhr, Knaack
Allzu linear verlief der Weg von Gary Floyd nie, und es war ein gutes Stück vom bis auf einen Irokesen rasierten Sänger der US-Punkrock-Legende The Dicks über Sister Double Happiness zum Bluesrock-Crooner, der er heute ist. Hatte der nicht nur äußerlich zum Buddhisten gewandelte Floyd auf seinen ersten Solo-Platten noch ausgelotet, was denn nun so zu tun sei, scheint er nun mit „In A Dark Room“ endgültig satt und zufrieden angekommen zu sein. Dort fand sich leider aber nur relativ eintöniger Mainstream- Rock, versetzt mit Country- Rührseligkeit, Gospel-Pathos und einer ebenso breiten wie matschigen Orgel. Darüber schwebt seine Stimme, über alle Zweifel erhaben, und bittet darum, Jesus möge doch bitte den trouble entfernen.
6. 11., 21 Uhr, Huxleys Jr. Cantina, Hasenheide 108
Unser Gutenachtgeschichten-Dienst: Es war einmal in grauer Vorzeit, vor so ungefähr 20 Jahren, daß drei Knaben an Kinderlähmung erkrankten. In der schweren gemeinsamen Zeit der Rehabilitation lernen sie sich kennen, und geheilt werden sie direkt vom göttlichen Jah himself. Natürlich werden sie Rastas, fangen an aus lauter Dankbarkeit Reggae zu spielen und werden als Israel Vibration weltberühmt. Und wenn sie nicht gestorben sind...
6. 11., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Daß man nicht unbedingt religiös erleuchtet sein muß, um Off-Beat zu spielen, wird am Abend darauf bewiesen. Die Skatalites werden gerne als Erfinder des Ska angepriesen, sind aber bestenfalls die Geburtshelfer von Reggae gewesen, weil sie als Studio-Kapelle die ersten Aufnahmen von Marley oder Toots & the Maytals begleiteten. Überhaupt gab es die Band als solche bestenfalls zwei Jahre Anfang der 60er. Seit der Reformation 1983 sind sie nun zum einen die Gralshüter des frühen und frühesten Ska, wie er sich aus dem R&B entwickelt hat, zum anderen eher eine Jazz- Combo, die sich auf dem flockigen Ska-Gerüst alle Freiheiten nimmt. Mit dabei beim „SkaSplash“ sind der notorische Laurel Aitken und House of Rhythm aus London.
7. 11., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190 Thomas Winkler
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