: „Der verliert langsam aber sicher die Nerven“
■ Die Stimmung unter den Abgeordneten im Vulkan-Untersuchungsausschuß
Hans-Helmut Euler mußte warten. Unruhig ging der ehemalige Chef der Senatskanzlei, der dem Vulkan-Untersuchungsausschußgestern morgen Rede und Antwort stehen mußte, vor dem Sitzungsraum 2 der Bremischen Bürgerschaft auf und ab. Die Abgeordneten, die sich seit zweieinhalb Wochen bemühen, die Hintergründe des Vulkan-Konkurses aufzuklären, hatten sich vor Beginn der Sitzung in einem Nebenraum zurückgezogen. Hinter verschlossenen Türen versuchte Jens Böhrnsen (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, die Abgeordneten zur Räson zu bringen. Die Wählerinitiative Arbeit für Bremen (AfB) hätte der Presse vertrauliche Unterlagen zugespielt, wetterte Böhrnsen. Ob er für seine haltlosen Anschuldigungen denn Beweise hätte, wollte AfB'ler Ludwig Hettling wissen. Böhrnsen mußte passen. Die vertrauliche Sitzung war beendet. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, empörte sich einer der Abgeordneten wenig später. „Mit solchen Peanuts hält der den ganzen Ausschuß auf. Als wenn wir nichts besseres zu tun hätten.“ „Der verliert langsam aber sicher die Nerven“, nickte ein weiteres Ausschußmitglied.
Es war nicht das erste Mal, daß Böhrsen die Mitglieder des Untersuchungsausschuß zitiert hatte. Schon in der ersten Woche soll er versucht haben, die Koalitionspartner der CDU einzuschüchtern: Sie würden schon sehen, was sie davon hätten, wenn sie weiter solche Fragen stellen würden, und zwar spätestens, wenn die CDU-Senatoren Ulrich Nölle (Finanzen) und Hartmut Perschau (Wirtschaft) vor dem Untersuchungsausschuß aussagen würden. Nölle und Perschau werden allerdings erst zum Ende des Untersuchungausschuß, der zwei Jahre dauern soll, gehört.
Heute stehen Hartwig Heidorn (siehe S. 33) und Euler auf der Zeugenliste.
„Die Werften sind ein ständiges Thema“ gewesen, erinnert sich Euler. Den Schock über die Schließung der AG Weser 1983 hätte man danach auch im Wahlkampf zu spüren bekommen. „Das war äußerst schwierig“, resümiert Sozialdemokrat Euler. Um den Schiffbau an der Unterweser zu erhalten, hätte der Senat die Gründung des Vulkan-Verbundes „natürlich“ begleitet. Aber von „politischer Erpressung“ könne keine Rede sein. „Wir haben Nerven gezeigt“, beteuert Euler. „Die Debatte, daß der Vulkan am Ende ist, wenn wir nichts tun, gab es ja immer“, räumt er ein. „Aber wir waren da nicht hektisch. Ich hab' mich nie unter Druck gesetzt gefühlt“, widerspricht Euler den Zeugenaussagen des ehemaligen Staatsrats Andreas Fuchs und dem ehemaligen Abteilungsleiter Hans-Burghard Theilen. Sie hatten am Tag zuvor ausgesagt, das Vulkan-Management hätte die öffentliche Hand „ausgenutzt“ und mit dem drohenden Verlust der Arbeitsplätze „politisch erpreßt“.
Euler sieht das anders. Er stehe noch heute hinter der Politik des Landes und der „positiven Grundentscheidung für die Werften“. „Bis Anfang 1989 hatte ich das Gefühl, daß ist alles auf einem guten Weg“, sagt er. Und: „Wir Sozialdemokraten haben da eine gute Politik gemacht.“ Von 1984 bis 1989 hätte das Land Bremen Zuschüsse von insgesamt 590 Millionen Mark gezahlt, und zwar ohne die Schiffsbeteiligungen von 256,4 Millionen Mark, hält der Abgeordnete Jens Eckhoff (CDU) dem Zeugen entgegen. „Diese Zahlen kenne ich nicht“, antwortet Euler und kaut am Bügel seiner Brille. „Sie haben es doch zugelassen, daß Sie erpreßt wurden“, hält ihm Ludwig Hettling (AfB) vor. „Das können sie aber nicht sagen“, empört sich Euler mit hochrotem Kopf. „Wir wollten das kritisch begleiten. Und das haben wir auch getan.“
Es ist auffällig, daß CDU und AfB im Ausschuß mehr Fragen an die Zeuge stellen als die Sozialdemokraten. Während die CDU-Abgeordneten abwechselnd fragen, redet bei der SPD nur einer, und das ist Böhrnsen. Welche Alternative die Landesregierung denn gehabt hätte, will er immer wieder wissen, so auch von dem Zeugen Klaus Geertz. „Die Arbeitslosigkeit wäre dramatisch gestiegen“, antwortete der Hibeg-Geschäftsführer und überraschte die Mitglieder des Ausschusses mit den exakten Zahlen für mehrere Jahre. „Diese Frage war doch abgesprochen. Kein Mensch hat zufällig die Zahlen dabei“, ärgerten sich einige Abgeordnete nach der Zeugenvernehmung am Mittwoch. Auch daß sich Böhrnsen besonders für die Rolle Friedrich Hennemanns beim Vulkan interessiert, ist offensichtlich. „Das ist das Bauernopfer, der Sündenbock, den sich die SPD ausgeguckt hat, um ihre Haut zu retten“, kommentiert ein Ausschußmitglied diese „Fragetaktik“.
Gegen Mittag sind die Fragen der Abgeordneten an Euler und Heidorn beantwortet. Im Vergleich zu den anderen Vernehmungen eine kurze Sitzung. Die Abgeordneten packen ihre Unterlagen. Wochenende. Einige verlassen eilig den Sitzungssaal. „Laß' uns bloß verschwinden“, raunt eine Abgeordnete ihrem Kollegen auf dem Flur zu. „Sonst findet der Böhrnsen noch n' Grund für eine neue Sitzung.“ Kerstin Schneider
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