: Mehr als eine Kruschtbude
Der Musiker Axel Fuhrmann übernahm vor zwölf Jahren das exklusive Lichthaus Arno am Savignyplatz von seiner Familie. Ein Portrait von ■ Gereon Asmuth
Alle paar Minuten donnert die S-Bahn über Lampen und Leuchten. Ansonsten prägt ruhige Musik die Atmosphäre unter den S- Bahn-Bögen am Savignyplatz. Ein Flaschentrockner, im Gegensatz zum Ready-made Marcel Duchamps randvoll mit klaren Milchflaschen, strahlt als Kronleuchter von der Decke. Ein stabilisierter Duschschlauch bildet den Fuß einer einfachen Glühbirne.
Seit 1927 gibt es das Lichthaus Arno in den Gewölben unter der S- Bahn. Hinten an der Espressobar des Ladens schwärmt der heutige Geschäftsinhaber Axel Fuhrmann von Arno Krumpel, dem Initiator des exquisiten Lampenladens in Charlottenburg. „Als 17jähriger Werkschüler bereits entwarf er ein futuristisches Luftschiff. Damit tingelte er durch die Casinos der halben Welt.“ Später konzentrierte er sich auf Lampen. Axel Fuhrmann sucht noch heute nach all den Leuchten, die sich der erste Mann seiner Mutter patentieren ließ.
Seit jeher ist das Lichtgeschäft im Familienbesitz. Obwohl Fuhrmann sich als Junge geschworen hatte, nie in diesem Metier zu arbeiten. Doch dann kam alles anders. Arno Krumpel war der erste Mann seiner Mutter Hella Fuhrmann. Später führte ihr zweiter Mann, Fuhrmanns Vater, das Geschäft fort. Doch der interessierte sich eher für die Wirtschaftspolitik im Nachkriegs-Berlin. „Der Laden wurde zur 08/15-Kruschtbude“, meint Axel Fuhrmann. „Bei den Mahlzeiten stritten sich meine Eltern um Preise und Lieferanten.“ Der Lampenjunior flüchtete in die Musik und drückte Anfang der achtziger Jahre für die Band Interzone in die Tasten seiner Hammondorgel.
Erst nach dem Tod des Vaters fand Fuhrmann in die Welt der Illuminate. „Als Musiker bist du nicht gut genug“, dachte sich der Organist und wechselte von der Bühne ins Lampenlager. Gemeinsam mit seiner Mutter führte er den Laden wieder zu seiner alten Exklusivität. Hella Fuhrmann wollte nur Ware vom Feinsten. Fuhrmann selbst setzte mehr auf das moderne Element in der Lampenkollektion. Nachdem sich die Mutter zur Ruhe gesetzt hatte, gestaltete Fuhrmann den Laden völlig um: Zwischendecken wurden herausgerissen und durch eine lichte Stahlkonstruktion ersetzt. Das Geschäft sah wieder aus wie zu alten Zeiten von Ladenbegründer Arno.
Fuhrmann kauft keine Kollektionen der Hersteller. Er setzt auf sein eigenes Gespür für gelungene Kombinationen. Der 43jährige ist daher stets auf der Suche nach Einzelstücken, ob nun beim Großhändler oder in „den Nischen der kreativen Peripherie“. Gestalter in ganz Europa zählt Fuhrmann zu seinen Freunden. Nur was er nirgends findet, baut er selbst.
Gerade ist eine Lieferung flaschenförmiger Vasen eingetroffen. Mit der Begeisterung eines kleinen Kindes dekoriert der Lichtkompositeur die Vasen im Schaufenster. Bei Arno gibt es eben nicht nur Lampen. Den Blick über den Rand des Lampenschirms hinaus hat er von seiner Mutter gelernt. „Sie sagte immer, wenn du nur Lampen verkaufen willst, bleibst du ein ewig doofer Lacher. Interessierst du dich für Architektur und Bühneneinrichtung, kannst du alles verkaufen.“ Heute macht Fuhrmann ein Drittel seines Umsatzes mit Möbeln.
Für die meisten seiner Objekte muß man ein Bündel Hunderter auf den Tisch blättern. Ausgefallenes kann aber auch günstiger sein. Da ist zum Beispiel jene Wärmelampe für Kleinvieh, die Fuhrmann beim Großhändler entdeckt hat. 32 Mark. Na bitte.
Wenn er Kunden berät, warnt der Lampenhändler vor der „deutschen Macke“, zuviel Licht zu installieren. Da greift Fuhrmann auf seine Musikkarriere zurück. „Wir können viel von Bühnenbeleuchtern lernen. Mit zu viel Licht wird das ein leuchtender Brei ohne Stimmung.“
Gute Stimmung ist für Fuhrmann ein Grundsatz seiner Verkaufsstrategie. Daher untermalt er sein Geschäft mit ausgewählter Musik, donnerstags sogar live. Selbst seine Lampen brauchen die Stille nicht zu fürchten. „Ich gehe nie aus dem Laden, ohne den Lampen noch schöne Musik zu machen“, sagt er. „Es geht mir nicht um die Dinge als solche, sondern um den Umgang damit.“
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