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Heidiland ist abgebrannt

■ Die CIPRA, die Internationale Alpenschutzkommission, tagte zum „Mythos Alpen“ und zum Entwurf eines Gegenmythos, dem einer „sensiblen Region“

„Nachdem sich herausstellte, daß Heidi nie und nimmer die Tochter von Wilhelm Tell sein kann, war für Hakaido Suzuki ein alpenländischer Mythos für immer zerstört“ steht als Bildunterschrift unter einer Karikatur, auf der ein japanischer Tourist frustriert vor der Kulisse einer grandiosen Alpenlandschaft sitzt. So kurz und bündig faßt die satirische Zeichnung im Tagungsband das Thema eines Kongresses zusammen, der kürzlich in Igls bei Innsbruck stattfand. Zweieinhalb lange Tage diskutierten die Delegierten und Referenten der CIPRA, der Internationalen Alpenschutzkommission, das Thema „Mythos Alpen“ und bekamen die Fragestellung dennoch nicht in den Griff. Zu unterschiedlich war die Interpretation des Begriffs „Mythos“ unter den Tagungsteilnehmern. Einige der Referenten verstanden hierunter die klassische Auslegung als große, metaphysische Erzählung in der Tradition antiker Mythen, die in den Alpen bis in die Gegenwart hinein ihren lebendigen Ausdruck in mündlichen Überlieferungen, Sagen und Bräuchen findet.

Hans Haid, streitbarer Volkskundler aus dem Tiroler Ötztal und Obmann der Initiative „Pro Vita Alpina“, will den Mythos von den Alpen nicht rechtslastigen Traditionalisten und Esoterikern überlassen. Auch die Tourismuswirtschaft würde den Mythos und das alpenländische Brauchtum schamlos vermarkten. Vielerorts wären aus den Jahresbräuchen der einheimischen Bevölkerung schnöde Spektakel für die Urlauber geworden. So würden feierliche Almabtriebe, die einen festen Platz im bäuerlichen Kalender haben, eigens für die Touristen mehrfach wiederholt. Alte Feste, die nur in großen Abständen gefeiert wurden, veranstaltet man nun jährlich. Haid hofft, daß sich die Alpenbewohner auf die tradierten alpenländischen Mythen besinnen und so dem touristischen Ausverkauf ihrer Heimat etwas entgegensetzen können. „Wenn die Menschen in den Bergen sich ihrer alten Werte bewußt werden, tun sie sich viel leichter, die touristische Prostitution zu verhindern.“

Die Mehrheit der CIPRA-Referenten interpretierte das Tagungsthema vom „Mythos Alpen“ allerdings als ein Bild, das Außenstehende von den Alpen haben. „Als Tourist und Fremder hat man immer eine Vorstellung von den Alpen und den Alpenbewohnern im Kopf, die viel zu idyllisch ist und mehr einem Klischee entspricht“, meint Hoop Spijker von der „Nederlandse Milieugroep Alpen“, die sich im alpenfernen Holland mit den Belangen der Berge beschäftigt.

Für Daniel Wachter vom Schweizer Bundesamt für Raumplanung gilt es, das stereotype Bild der Alpen als eine paradiesische Naturlandschaft, in der eine freiheitsliebende, bäuerliche Bevölkerung in Harmonie und Eintracht zusammenlebt, zu entmythologisieren und das zentraleuropäische Gebirge als einen Wirtschaftsraum zu begreifen, „der mit etwas Verspätung die wesentlichen Transformationsprozesse moderner Gesellschaften nachholt“. Ein Gegenmythos müsse geschaffen werden, verlangt der Holländer Spijker: „den Mythos einer sensiblen Naturlandschaft, wo der Mensch, besonders der Fremde, vorsichtig und zurückhaltend sein muß“.

Einziges konkretes Ergebnis der CIPRA-Tagung war die Gründung eines „Gemeindenetzwerkes“, mit dem 27 Bürgermeister aus verschiedenen Alpenländern die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch im Umweltbereich auf unterster Verwaltungsebene vereinbarten. Reinhard Kuntzke

Der bereits erschienene Tagungsband mit den Grundsatzreferaten ist für 240 öS (umgerechnet etwa 33,60 DM) über die CIPRA Österreich, Alserstr. 21/5, A-1080 Wien, zu beziehen.

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