: Frankreich für sofortige Intervention
Der französische Außenminister fordert eine internationale Konferenz, um militärisch die Versorgung von über einer Million ruandischer Hutu-Flüchtlinge in Ostzaire zu sichern ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Die dramatische Situation von über einer Million Flüchtlingen im Osten Zaires führte gestern in Paris zu zahlreichen „allerletzten Appellen“ in alle möglichen Himmelsrichtungen. Der französische Außenminister Hervé de Charette forderte die Mitglieder der Organisation für afrikanische Einheit (OAU), die Europäischen Länder sowie die USA und Kanada zu einem „sofortigen Treffen“ auf. Dabei sollte ein gemeinsames Vorgehen gefunden werden, um die humanitäre Hilfe in die Region zu befördern. Die unabhängige Organisation „Médecins sans Frontières“ verlangte eine militärische Intervention. Und der Sozialist und Präsident der Entwicklungskommission des Europaparlaments, Bernard Kouchner, richtete einen Brief an den südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela, den „Friedensnobelpreisträger, großen Demokraten und Präsidenten der jüngsten und größten Demokratie Afrikas“. Tenor: Sie allein können jetzt noch helfen.
„Diese Tragödie verlangt eine sofortige Reaktion der internationalen Gemeinschaft“, erklärte Außenminister de Charette gestern mittag. Kurzfristig sei eine nicht näher beschriebene „vorübergehende Absicherung“ der an der Grenze von Zaire zu Ruanda gelegenen Region Nord- und Südkivu die zwingende Voraussetzung dafür, daß die herumirrenden Flüchtlinge in Lager zurückkehren und die internationalen Hilfsorganisationen ihre Arbeit wieder aufnehmen könnten. Eine längerfristige Lösung des Konfliktes könne nur bei einer Regionalkonferenz gefunden werden, wiederholte de Charette einen bereits seit Monaten debattierten Vorschlag.
Am Sonntag hatte der französische Honorarkonsul in der von zairischen Soldaten geplünderten und verlassenen und beinahe menschenleeren ostzairischen Stadt Goma, Patrick Lumes, vor einer humanitären Katastrophe bisher unbekannten Ausmaßes gewarnt.
Die Helfer des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) seien „weggelaufen wie die Hasen“, berichteten ruandische Flüchtlinge am Wochenende den verbliebenen französischen Journalisten. Die Flüchtlinge selbst hatten die Lager unter dem Eindruck von Militärangriffen verlassen und keinerlei Versorgung mitgenommen. Am Wochenende hatten die letzten ausländischen Journalisten Goma verlassen. Jetzt zeigen nur noch Satellitenbilder die viele hunderttausend Kopf große Menschenmenge an, die sich ohne irgendeine Nahrungs- oder Medizinversorgung am Nordufer Ufer des Kivusees westlich von Goma eingefunden hat.
Unter dem Eindruck des stündlich von den französischen Radiosendern wiederholten Appells erklärten am Sonntag mehrere französische Minister, es müsse dringend etwas getan werden, ohne Einzelheiten zu nennen. Am Abend meinte der sozialistische Politiker und einstige Mitterrand- Vertraute Jacques Attali, nur die französische Armee verfüge gegenwärtig über die nötige Logistik, um in der afrikanischen Krisenregion zu intervenieren.
Auch die konservative spanische Regierungen sieht Frankreich als den potentiellen Anführer einer internationalen Intervention in Zaire und Ruanda an. Nachdem Paris erklärt hatte, es sei „bereit, alle Mittel für eine humanitäre Operation zur Verfügung zu stellen“, erklärte Madrid, es werde einer französischen Initiative folgen.
Die von dem französischen Außenminister aufgerufenen Staaten ließen sich mit ihren Reaktionen Zeit. Die heute in der kenianischen Hauptstadt Nairobi stattfindende Regionalkonferenz wird über die weitere Entwicklung der Krise mehr Aufschluß geben. Allerdings hat sich die zairische Regierung, nach dem Bruch der diplomatischen Beziehungen mit seinen Nachbarn Ruanda, Burundi und Uganda am Freitag, noch nicht von einer Teilnahme überzeugen lassen. Sie will erst dann an den Verhandlungstisch kommen, wenn die „ausländischen Aggressoren“ ihr Land verlassen haben.
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