: Querflötende Geige
■ Portrait-Konzert in der Freien Akademie der Künste zu Ehren Manfred Trojahns
Doch, doch: Sonic Youth waren klasse. Und wer die Art und Weise mochte, mit der sie mittels ihrer Instrumente unerwartete Geräusche produzierten, sollte sich ein Konzert mit Stücken von Manfred Trojahn anhören. Trojahn ist Professor für Komposition an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf und mit einem Porträtkonzert zu seinen Ehren wurde Montag abend in der Freien Akademie der Künste die Reihe „Fließende Grenzen“ eröffnet, die sich gegen althergebrachte Genre- und Darbietungsraster wendet. Geboten werden traditionelle Instrumentierungen im neuen Stil, CD–Scratching und ein Soundclash: Metalheadz versus Stravinsky. Der November wird ein Monat der Neuen Musik.
Trojahn setzt traditionelle Instrumente – Violine, Violoncello und Klavier – ein, um Dissonanzen gegen Harmonien auszuspielen. Und dabei passieren interessante Dinge: Kaum kann die Geige in der „Sonate I für Violine und Klavier“ (1983) sich zu einer lyrischen Passage entschließen, schon zieht das Klavier sich in ein abgehacktes Hämmern zurück und verunmöglicht so für Momente jedes Pathos. Noch schöner ist die Inversion: Während Mi–Joo Lee am Klavier perlt, läßt Stefan Frucht seine Geige wie eine leicht überblasene Querflöte klingen. Der entstehende Ton flirrt ständig umher und geht immer neue Verbindungen mit der Klaviermelodie ein. In der „Sonate II für Violoncello und Klavier“ (1983) dagegen bewegen sich Violoncello und Klavier fast parallel. Beide ergehen sich in reduzierten Wiederholungen, ganz leicht gegeneinander versetzt. Die entstehenden Interferenzen haben, speziell bei Jan Koops Violoncello, den schönen Effekt, sein Instrument scheinbar mit sich selber rückzukoppeln. Wer wollte nicht schon immer Oszilloskope in Kammerkonzerten hören? Wenn aber eine Mezzosopranistin Sekundenbruchteile vor dem Finale abbricht und „Die Einsamkeit der Stille“ vor sich hin murmelt, dann kippt der Versuch der Irritation zurück ins Bedeutungschwangere.
In seiner Einführung sprach Armin Sandig, Präsident der FAdK, auch vom Rückbezug Trojahns auf Hans Henny Jahnn. Jahn war Musiktheoretiker, Mitbegründer der FAdk und Dramatiker. Außerdem, so Sandig, der „Inbegriff des Nordischen“. Jahnns Zivilisationspessimismus läßt sich vielleicht tatsächlich mit Georg Trakls abgrundtiefer Verzweiflung, die Trojahn in den Traklfragmenten (1983) zu vertonen versuchte in Verbindung setzen. Der Vorwurf des ,Nordischen', Antiaufklärerischen liegt nahe. Trojahns Stücke aber besitzen bei aller Lust am angedeuteten Pathos immer noch Schärfe genug, einen geistreichen Abend zu gewährleisten. Matthias Anton
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen