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Nicht sozialpädagogisiert

■ Das Wilhelmsburger Kulturzentrum Honigfabrik feiert ab heute sein 18jähriges Bestehen

Margarine, Marke „Elbstrand“, Tilsiter Käse aus Ostpreußen und Immencron-Honig: Stationen aus der Vorgeschichte eines Stadtteilkulturzentrums, das dieser Tage Volljährigkeit feiert. Die „Honigfabrik“ in Wilhelmsburg war natürlich nie eine – Bienen halten sich so schlecht an die Stechuhr. Seit ihrer Errichtung 1906 bis 1955 wurden dort vielmehr erst Speisefette und Schmelzkäse hergestellt, bevor Honig abgefüllt wurde. Bis 1978, als die Abfüllerei wegzog und die Fabrik leerstand.

Zu dieser Zeit, berichtet Margret „Maggi“ Markert, hatten sich in Wilhelmsburg bereits 13 Initiativen zusammengefunden, die laut nach einem Jugend- und Kommunikationszentrum riefen. „Nach der Flutkatastrophe 1962 wollte der Senat Wilhelmsburg als Wohngebiet eigentlich aufgeben, in den Stadtteil war seitdem kein Pfennig mehr investiert worden.“ Junge Leute zogen weg, Gastarbeiter zogen ein, Kultur- und Freizeitangebote gab es kaum. Da kam die leere Honigfabrik den Initiativgruppen gerade recht. Sie gingen der Kulturbehörde so lange auf die Nerven, bis diese – vor 18 Jahren – ihren Plan unterstützte.

Mitte der Siebziger wurde „Stadtteilkultur“ als Gegenmodell zur „Hochkultur“ erst entdeckt, und der Apparat mußte sich daran gewöhnen, Arbeitslosen-Inis mit Kleinkunst-Ambitionen zu fördern. Unendlich lange, erzählt Markert, schien es zu dauern, bis die Behörden und Parteien sich willig zeigten, „aber wir galten damals auch als eine der frechsten Initiativen – vielleicht erschien uns alles nur so mühsam, weil wir so ungeduldig waren.“

Im Unterschied zu anderen Stadtteilgruppen, meint Markert, seien die Wilhelmsburger überhaupt nicht sozialpädagogisiert gewesen, eher Lehrlinge, Arbeitslose, wenige Studierende. „Ohne die entsprechende Alternativszene im Stadtteil hat es bei uns auch keine Selbstverwirklichungswelle mit Yoga und Meditationen gegeben“, statt dessen aber Drogenprobleme, auch in der Belegschaft.

Der Versuch, in gutausgestatteten Werkstätten den Leuten im „Arbeiterviertel“ Gelegenheit zu geben, handwerkliche Qualifikationen auch in der Freizeit auszutoben, schlug allerdings fehl. Dafür trifft sich aber seit Jahren der Volvo-Club im Autoschuppen, die Seniorengruppe läuft gut, und in der Küche gibt's jetzt Partyservice.

Am meisten Leute ziehen immer noch die Musikveranstaltungen – je bodenständiger, desto lokaler wird das Publikum. „Indie-Folk“, meint Organisator Heiko Schulz, sei quasi die Spezialität der „Hofa“, aber die örtliche Jugend, meint Markert, kommt am liebsten, „wenn's der reine Rock ist“.

Ulrike Winkelmann

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