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Wenn Mann einfach zuschlägt

Spezialdezernat der Amtsanwaltschaft beschleunigt Verfahren bei häuslicher Gewalt. Täter stehen innerhalb einer Woche vor Gericht. Verhandelt werden aber nur „geringe“ Straftaten  ■ Von Kathi Seefeld

„Natürlich passiert es auch, daß mal eine Ehefrau ausrastet“, weiß Justizsenatssprecherin Corinna Bischoff. Doch geprügelt, randaliert und beleidigt wird in Berlin mit deutlicher Mehrheit von Männern. Egal ob Ehegatte oder Lebenspartner – Tag für Tag landen mittlerweile zehn Verfahren häuslicher Gewalt auf den Tischen der Amtsanwaltschaft.

Seit zwei Monaten gibt es hier, ähnlich wie in Bremen, ein Spezialdezernat, das mit zehn Amtsanwälten, die sonst für Beleidigungen im Straßenverkehr oder Diebstahlsdelikte zuständig sind, daran arbeitet, Gewalttäter möglichst schnell vor Gericht zu stellen. Ziel, so die Leiterin des Spezialdezernats Heidi Kleine, sei eine Verfahrensdauer von etwa einem Monat. „In einigen Fällen“, so Corinna Bischoff, „kann das binnen einer Woche passieren.“

Verletzungen sind zu einem solchen Zeitpunkt oft noch frisch, Zeugen haben weniger Erinnerungslücken. „Selbst die Männer empfinden mehr oder weniger unmittelbar nach der Tat noch Scham über ihr Verhalten.“ Ein paar Monate später, weiß die Senatssprecherin aus eigener Praxis, seien Frauen oft nicht mehr bereit, gegen ihren prügelnden Partner auszusagen. Auch waren in der Vergangenheit viele Fälle gar nicht vor den Richter gekommen, da Frauen es zum Beispiel versäumt hatten, zum Arzt zu gehen – nicht mehr vorhandene Blutergüsse können nur schwerlich als Beweis gelten.

Ebensowenig unternommen wurde, wenn die Geprügelten keine Anzeige erstattet bzw. keinen Strafantrag gestellt hatten. „Ein sogenanntes öffentliches Interesse, das Körperverletzung von Amts wegen verfolgt“, konstatiert die Senatssprecherin, „war bislang in 60 Prozent aller Fälle nicht angenommen worden.“

Genau diese Praxis wurde mit der Gründung des Spezialdezernats geändert. Bei Schlägen gegen Familienangehörige wird die Amtsanwaltschaft künftig öffentliches Interesse bejahen und, so es sinnvoll ist, zur Anklageerhebung ein beschleunigtes Verfahren vorschlagen.

„Die Notwendigkeit für ein solches Vorgehen gegen häusliche Gewalt wurde auch in Berlin spätestens seit der Justizministerkonferenz im Herbst 94 gesehen“, betont Justizsprecherin Bischoff. Justizsenatorin Lore Maria Peschel- Gutzeit sei es vor allem darum gegangen, Kinder in Familien besser zu schützen. Kinder, die in gewaltgeprägter Atmosphäre aufwüchsen, so die Senatorin, nähmen häufig irreversiblen Schaden an ihrer Entwicklung. Wo Prügeleien in der Familie zum Alltag zählten, sinke bei Kindern und Jugendlichen die Hemmschwelle, selbst Gewalt auszuüben.

Corinna Bischoff betont allerdings, daß es sich bei den von der Amtsanwaltschaft beschleunigt bearbeiteten Fällen um vergleichsweise geringe Straftaten handelt. „Das klingt fürchterlich, aber es geht nur um Beleidigung, Hausfriedensbruch, einen Schlag aufs Auge“. Bei schwerer Körperverletzung hingegen oder wenn Waffen im Spiel sind, ist die Angelegenheit eine Sache für den Staatsanwalt.

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