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Grüne: Deputationen abschaffen

■ Bürgerschafts-Vizepräsident Hermann Kuhn: Bremen hat bisher „nur eine Schrumpfform der Demokratie“

Die Bürgerschaftsfraktion der Grünen will das komplette politische System in Bremen umkrempeln. Wenn es nach ihnen geht, dann soll die Bürgerschaft so schnell wie möglich die Deputationen abschaffen und durch ordentliche Parlamentsausschüsse ersetzen. Gestern haben Fraktionssprecher Dieter Mützelburg und der grüne Bürgerschafts-Vizepräsident Hermann Kuhn einen entsprechenden Antrag vorgestellt. Damit solle sich Bremen endlich den parlamentarischen Gepflogenheiten andere Länder anpassen und eine echte Gewaltenteilung einführen. Kuhn: „Bremen hat eben nur eine Schrumpfform der Demokratie“.

Hintergrund des Antrages ist die anhaltende Debatte um die Haushaltsermächtigung, die im Frühjahr das Parlament dem Senat erteilt hatte. Damals hatte die Bürgerschaftsmehrheit der Großen Koalition der Landesregierung erlaubt, etwa eine Milliarde über die laufenden Kosten hinaus ausgeben zu dürfen – ohne daß vorher ein ordentlicher Haushalt verabschiedet worden war. Allein die Finanzdeputation sollte über die Ausgaben entscheiden müssen. Das war verfassungswidrig, sagten damals Grüne und AfB und klagten vor dem Staatsgerichtshof, dem Bremer Verfassungsgericht.

Kern der Argumentation: Die Finanzdeputation sei kein ordentlicher Parlamentsausschuß, denn Deputationen sind per Gesetz „Verwaltungsausschüsse“, den Vorsitz hat die zuständige SenatorIn. Von Gewaltenteilung und dem wichtigsten Recht des Parlaments, nämlich über den Haushalt zu entscheiden, könne dabei keine Rede sein. Am letzten Dienstag hatte selbst der Senat eingesehen, daß das Vorgehen im Frühjahr an der Verfassung vorbeigegangen ist (s.taz v. Montag). Nun will die Landesregierung das Haushaltsgesetz der Verfassung anpassen.

Die Grünen wollen genau das Gegenteil. Sie wollen die Verfassung ändern und damit die Deputationen, ein Bremer Unikum, abschaffen. In 50 Jahren Deputationswesen sei beispielsweise nie geklärt worden, welche Haushaltsrechte die Deputationen denn eigentlich haben, berichtete Kuhn. „Wird nun der Haushalt beschlossen oder nur zur Kenntnis genommen? Das weiß niemand.“ Zudem seien die Abgeordneten nicht Herren ihrer eigenen Sitzungen. Deputations-Vorsitzende sei immer eine SenatorIn, die bestimmt die Tagesordnung, und die wiederum sei bestimmt von Verwaltungs-Kleinigkeiten. Mützelburg: „So beschäftigen wir uns in der Sportdeputation mit der Frage, ob der Sportverein Eiche Horn ein neues Tornetz für 996 Mark bekommt.“

Ein ordentlicher Parlamentsausschuß dagegen ist zwar weiter vom alltäglichen Verwaltungshandeln weg – aber dafür haben die ParlamentarierInnen sehr viel mehr die Chance, das zu tun, wofür sie nach dem Prinzip der Gewaltenteilung gewählt worden sind: Die Kontrolle der Regierung. Sie können einzelne Senatoren zum Berichten vor den Ausschuß zitieren, können Berichte der Verwaltung anfordern, eigene Anhörungen initiieren – all das, was eine Deputation nicht kann. Kuhn: „Das ist dann eben der Unterschied zwischen parlamentarisch und bremisch.“ J.G.

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