: Gewinn entschwindet über die Wolken
■ Airbus bekommt einen Riesenauftrag aus Amerika. Doch der Personalabbau bei der Daimler-Tochter soll fortgesetzt werden. Während die Aktionäre sich auf eine Dividende freuen, bleibt die Steuerkasse leer
Berlin (taz) – Ausgerechnet eine US-Fluggesellschaft verschafft dem europäischen Airbus- Konsortium den vermutlich größten Auftrag aller Zeiten in dieser Branche. USAir bestellte 120 Mittelstreckenflugzeuge im Wert von etwa acht Milliarden Mark beim härtesten Boeing-Konkurrenten. Für weitere 280 Flieger wurden Vorverträge abgeschlossen. Das Volumen des Geschäfts wird auf 27 Milliarden Mark geschätzt.
Die Daimler-Tochter Dasa ist mit 37,9 Prozent am Airbus-Konsortium beteiligt. Den Rest teilen sich Hersteller aus Frankreich, Spanien und Großbritannien. Vor allem in Hamburg und Toulouse sollen die Flugzeuge zusammengebaut werden. Doch wer glaubt, der Auftrag werde den Massenrausschmiß bei der deutschen Airbus stoppen, hat sich geschnitten.
„Das Dolores-Programm wird weiter umgesetzt“, sagte gestern der Konzernpressesprecher Eckhard Zanger. Erst im Sommer hatten sich Betriebsrat und Geschäftsführung auf einen Stellenabbauplan geeinigt. Die Belegschaftsvertreter konnten zwar verhindern, daß der Konzern seine ursprüngliche Absicht umsetzen konnte – bis 1998 wollte er 5.000 der damals 15.000 Jobs bei der deutschen Airbus abbauen –, aber über 3.000 Leute müssen dennoch dran glauben und verlieren ihre Arbeit. Der Gesamtbetriebsrat gab sich gestern trotzdem wenig kämpferisch und verwies auf den Spruch der Einigungsstelle, der nur die Möglichkeit von Nachverhandlungen bei positiver Geschäftsentwicklung vorsehe.
Die ist nun ohne Zweifel auch bereits ohne den Auftrag aus Amerika gegeben. Binnen neun Monaten verzeichnete Airbus die Bestellung von 269 Flugzeugen – ein Volumen wie in den vergangenen drei Jahren zusammen. Vor allem dadurch stieg bei der Dasa, der 1989 gegründeten Luft- und Raumfahrttochter des Stuttgarter Daimler-Benz-Konzerns, der Auftragseingang in diesem Zeitraum um 89 Prozent auf 13,6 Milliarden Mark. Und der Dasa-Umsatz kletterte bis Ende September um 18 Prozent auf knapp 8,3 Milliarden Mark. Dasa-Vorstandsvorsitzender Manfred Bischoff sagte gestern, diese erfreulichen Zahlen seien eine Folge der „Wettbewerbsinitiative“, wie das Kündigungsprogramm in der Sprachregelung des Konzerns heißt. Doch nicht nur die vor kurzem noch tiefroten Zahlen schreibende Dasa macht Daimler-Chef Schrempp Freude. Vor allem Mercedes trägt zu den hervorragenden Umsätzen bei. Daimler erwartet über 105 Milliarden Mark in diesem Jahr. Von Januar bis Juni war ein operativer Gewinn von 827 Millionen Mark ausgewiesen worden.
Doch Finanzminister Theo Waigel wird davon mal wieder nichts abbekommen. „Im Moment ist der Verlustvortrag noch größer als der Gewinn“, sagt Sprecher Zanger. 1995 hatte Deutschlands größter Industriekonzern ein Rekordminus von 5,7 Milliarden Mark eingefahren, was auf die teure Abwicklung der AEG und den Ausstieg beim Flugzeugbauer Fokker zurückzuführen war.
Schrempp hat allerdings bereits angekündigt, daß der Fiskus auch künftig nichts von Daimler wird kassieren können. „Von uns kriegt ihr nichts mehr“, freute sich der Daimler-Boss im Sommer. Gesagt haben soll er das gegenüber Haushaltsexperten des Bundestages, die er zum Dinieren traf. Durch geschickte Verlagerung von Unternehmensteilen ins Ausland organisiert Daimler es genau wie viele andere Großbetriebe so, daß in Deutschland offiziell kaum Gewinne anfallen. Steuern werden nur noch dort gezahlt, wo die Sätze sowieso niedrig sind. So bestätigt der Geschäftsbericht von 1995, daß Mercedes seine 1,015 Milliarden Mark Steuern fast ausschließlich im Ausland gezahlt hat. Was Waigel und die Lohnabhängigen ärgert, freut die Aktionäre: Auch wenn offiziell noch keine Entscheidung getroffen wurde, so gibt es doch sehr wahrscheinlich bald wieder eine Dividende. Annette Jensen
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